Luzifers Hammer
stellte fest, daß das Wasser nicht mehr bis an die Radkappen reichte. Nach Westen zu befanden sich höhere Lagen, und der Boden schaute stellenweise aus dem Wasser hervor. Da standen Mandelbäume und dazwischen ein Farmhaus. Eileen bog scharf nach rechts ab, wo keine Straße war. Der Wagen schwankte, als er die 99 verließ, dann schoß er vorwärts durch Schlamm und Wasser.
Tim wagte nicht zu sprechen, wagte kaum zu atmen. Eileen folgte einer Richtung, die über dunkle Hügel hinwegführte, aber es war kein durchgehender Pfad, vielmehr ein See mit Inseln darin. Und sie fuhren im endlos strömenden Regen darüber hinweg. Tim, die Hand auf das Armaturenbrett gestützt, erwartete jeden Augenblick, daß der Wagen irgendwo versinken würde.
»Da«, murmelte Eileen. »Da.«
Lag der Horizont vor ihnen etwas höher? Sekunden später wußte es Tim ganz sicher:
Der Boden wölbte sich vor ihnen auf.
Fünf Minuten später waren sie am Fuße des Bahndamms angelangt.
Der Wagen würde es niemals schaffen.
Sie schickte Tim mit dem Abschleppseil in den Regen hinaus.
Er befestigte das Seil an einer Schiene und zog es fest, wobei er sein ganzes Gewicht auf den Damm verlagerte, während Eileen versuchte, die Schlammberge zu überwinden. Doch der Wagen rutschte immer wieder ab. Tim schlang das Seil um die andere Schiene. Er ließ das Seil durchhängen, zentimeterweise. Jetzt würde der Wagen einen Anlauf nehmen und dann wieder abgleiten, und Tim mußte dann das Seil festziehen. Eine falsche Bewegung würde ihn einen Finger kosten. Er hatte aufgehört, zu denken, und es war besser so in dieser düsteren Misere von Regen, Erschöpfung angesichts dieser unmöglichen Aufgabe.
Seine früheren Triumphe waren vergessen und nutzlos …
Allmählich kam ihm erst zu Bewußtsein, daß der Wagen den Damm erklommen hatte und nahezu waagrecht stand, und daß Eileen auf die Hupe drückte. Er nahm das Seil ab, wickelte es auf und schlurfte zum Wagen zurück.
»Gut gemacht«, sagte Eileen. Sie nickte und wartete.
Wenn Tim mit seiner Kraft und seiner Entschlossenheit am Ende war, so schien sie immer noch Reserven zu haben. »Eine Menge Bullen kennen diesen Trick. Eric Larsen hat mir davon erzählt. Ich selbst habe es noch nie versucht …« Der Wagen taumelte auf eine Schiene, drehte sich und ratterte über die Schwellen, erklomm beide Schienen und schoß los. »Natürlich muß man den richtigen Wagen haben«, erklärte Eileen, jetzt weniger gespannt und mit etwas mehr Zuversicht. »Und los geht’s!«
Sie fuhren los, balancierten auf den Gleisen. Die Räder hatten genau die richtige Spurweite. Auf beiden Seiten blinkte silbern ein neuer See auf. Der Wagen fuhr langsam dahin, stotternd und schwankend, er wippte wie ein Tänzer, während sich das Steuer dauernd hin und her bewegte. Eileen war gespannt wie ein Flitzbogen.
»Hättest du mir das gesagt, ich hätte es nicht geglaubt«, gestand Tim.
»Ich habe nicht geglaubt, daß du es schaffst.«
Tim gab keine Antwort. Er sah nur zu deutlich, daß sich die Schienen allmählich dem Wasser zuneigten, doch was es auch war, woran er im Augenblick glaubte oder nicht, er behielt es für sich.
Gleiten, nichts als über das Wasser gleiten. Eileen fuhr bereits seit Stunden übers Wasser. Mit ihrer gerunzelten Stirn, den weit geöffneten Augen und so, wie sie starr aufrecht saß, war sie so etwas wie eine in sich abgeschlossene Welt. Tim wagte nicht, sie anzusprechen.
Jetzt war keiner mehr da, der sie um Hilfe bat, keiner, der eine Waffe auf sie richtete. Im Scheinwerferlicht und im Leuchten der Blitze tauchten nur Wasser und Schienen auf. Stellenweise versanken die Schienen unter Wasser, und an solchen Stellen drosselte Eileen die Geschwindigkeit bis auf ein Minimum und fuhr einfach nach Gefühl. Einmal erhellte der Blitz das Dach eines großen Hauses und sechs Gestalten darauf. Ihre Regenkleidung glitzerte, und zwölf Augen starrten auf ein Phantomauto, das durchs Wasser fuhr. Und dann passierten sie wieder ein Haus, aber es schwamm auf der Seite dahin, und kein Mensch war zu sehen. Einmal fuhren sie vier Meilen an einem rechteckigen Buschwerk entlang, wohl ein Obstgarten. Nur noch die Wipfel der Bäume schauten aus dem Wasser heraus.
»Ich habe Angst, anzuhalten«, sagte Eileen.
»Ich hab’s schon gemerkt. Ich will dich nicht ablenken.«
»Nein. Red mit mir! Laß mich nicht einnicken! Bring mich in die Wirklichkeit zurück! Das hier ist ein Alptraum!«
»Guter Gott, ja. Ich konnte die
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