Luzifers Hammer
meinen Aufgaben, mir die Klagen der Leute anzuhören.«
»Ich denke, Sie waren im Predigergeschäft.« Sie sagte es zynisch und sie wußte nicht, warum sie ihn verletzen wollte.
»Sicher, aber es ist kein Geschäft.«
»Nein.« Das war es nicht. Tom Varley setzte sich voll ein. Er hatte mehr, als er von seiner Herde verlangen konnte, und so mancher im Tal trat ihm etwas von seiner Ration ab, die er dann verteilte. Er sagte nie, wie und an wen. George meinte, er würde Außenstehende versorgen, aber er hätte nie ein Wort an Tom Varley riskiert. George hatte Angst vor ihm. In primitiven Gesellschaften sind Priester und Magier gefürchtet … »Ich wollte, dies wäre wirklich der Jüngste Tag gewesen«, meinte sie. »Warum?«
»Weil es dann etwas bedeuten würde. Das alles hat keinen Sinn. Und erzählen Sie mir ja nichts über den Willen Gottes und seine unerfindlichen Ratschlüsse.«
»Natürlich nicht, wenn Sie mir sagen, daß Sie es nicht hören wollen. Aber sind Sie sicher?«
»Ja. Ich hab’s versucht. Aber es geht nicht. Ich kann nicht an einen Gott glauben, der so was getan hat! Das alles hat keinen Sinn und keinen Zweck!« Sie zeigte auf den Schnee in den Bergen. »Bald wird der Winter kommen. Und einige von uns werden ihn überleben. Dann noch einen und noch einen. Warum soll man darüber nachdenken?« Sie konnte ihn nicht länger anschauen. Seine Hundeaugen waren voll Sorge und Sympathie, und sie wußte, daß sie dies von ihm erwartet hatte, doch jetzt war es unerträglich. Sie wandte sich ab und ging schnell fort.
Er folgte ihr. »Maureen.« Sie ging weiter auf die Auffahrt zu, aber er hielt mit ihr Schritt. »Bitte.«
»Was denn?« Sie wandte sich ihm zu. »Was können Sie sagen? Was kann ich sagen? Es ist doch wahr.«
»Die meisten von uns möchten leben.«
»Ja. Ich wollte, ich wüßte warum.«
»Sie wissen es. Auch Sie möchten leben.«
»Aber nicht so.«
»Es sieht nicht so schlimm aus …«
»Sie verstehen mich nicht. Ich glaubte, etwas gefunden zu haben. Das Leben besteht daraus, seine Pflicht zu erfüllen. Ich habe das begriffen, ich habe es wirklich begriffen. Aber ich habe keine Pflichten. Ich bin durch und durch nutzlos.«
»Das ist nicht wahr.«
»Es ist so. Und es war immer so, selbst früher … Ja, auch früher. Ich war nur einfach da. Manchmal war ich glücklich, Teil des Lebens eines anderen zu sein. Ich könnte mich ohrfeigen, aber es war einfach nicht gut, nie und nimmer. Ich ließ mich einfach treiben, ohne einen Sinn darin zu erkennen, aber es war nicht so schlimm. Zumindest damals nicht. Doch der Hammer kam und hat selbst das zerstört. Er hat alles kaputtgemacht.«
»Aber Sie werden hier gebraucht«, sagte Varley. »Viele dieser Leute hängen von Ihnen ab. Sie brauchen Sie …«
Sie lachte. »Zu was denn? Al Hardy und Eileen schmeißen den Laden. Dad trifft die Entscheidungen. Und Maureen?« Sie lachte wieder. »Maureen macht die Leute unglücklich, Maureen hat Depressionen, die sich wie die Pest ausbreiten. Maureen schleicht herum, um ihren Liebhaber zu treffen, und macht dann den armen Hund kaputt, weil sie nicht öffentlich mit ihm spricht, weil sie Angst hat, daß sie ihn töten werden, aber Maureen hat nicht die Kraft, ihn abzuweisen, sie hat nicht die Kraft, nicht mit ihm ins Bett zu gehen. Bin ich nicht weniger als eine Null?«
Es kam kein Echo, und sie schämte sich vor sich selbst wegen ihrer vulgären Sprache und daß sie versucht hatte … was eigentlich? Es machte nichts aus.
»Ist es nicht so, daß Sie sich um jemanden sorgen?« fragte Varley. »Da ist dieser Liebhaber. Das ist doch einer, dessen Leben Sie teilen möchten.«
Sie lächelte bitter. »Begreifen Sie nicht? Ich weiß nichts, und ich fürchte mich, dahinter zu kommen. Ich möchte verliebt sein, aber ich glaube, ich darf’s nicht, und ich habe Angst davor, wenn auch dies eines Tages in die Brüche geht. Und ich komme zu keinem Ergebnis, weil ich hier die Kronprinzessin spielen muß.
Vielleicht sollte ich George heiraten, und damit wäre es getan.«
Diesmal reagierte der Geistliche. Er schien überrascht. »George Christopher ist Ihr Liebhaber?«
»Gott, nein! Er ist derjenige, der den anderen umbringen wird.«
»Das bezweifle ich. George ist ein guter Mensch.«
»Ich wollte … ich wäre dessen sicher. Dann würde ich endlich dahinter kommen. Ich würde wissen, ob ich irgend jemand noch lieben kann. Und ich will es wissen, ich will wissen, ob der Hammer auch dies zerstört hat. Es tut
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