LYING GAME Und raus bist du
Tennisplätzen blieb sie stehen. Ganz undeutlich erkannte sie den Umriss einer bekannten Gestalt, die in der Mitte des Platzes ausgestreckt auf dem Boden lag. Ihr Herz hüpfte.
»Ethan?«, rief Emma. Er schoss hoch, als er seinen Namen hörte. »Ich bin’s. Sutton.«
»Na so ein Zufall, dich hier zu treffen.« Es war zu dunkel, um sein Gesicht zu sehen, aber Emma hörte Freude aus seinem Tonfall heraus. Mit einem Mal fühlte auch sie sich glücklich.
»Darf ich dir Gesellschaft leisten?«, fragte sie.
»Klar.«
Sie öffnete das Tor im Zaun, warf aber kein Geld in den Automaten, der die Beleuchtung einschaltete. Die Tür fiel mit einem Knall hinter ihr zu. Sie spürte Ethans Blick auf sich, als sie zu ihm ging und sich neben ihn legte. Der Platz war noch warm von der Hitze des Tages und es roch leicht nach warmem Asphalt und verschütteter Gatorade.
Die Sterne über ihnen glitzerten wie Quartzkristalle.
Emmas Sternfamilie funkelte direkt unter dem Mond. Nach allem, was geschehen war, hingen die Sterne immer noch am selben Platz und lachten über Emmas vergebliche Mühen hier unten auf Erden.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Vergebliche Mühen traf es ganz genau. Was war aus all ihren Träumen geworden, die sie sich auf der Busfahrt hierher erlaubt hatte? Aus der schönen Zukunft, die sie mit ihrer Schwester Sutton gemeinsam erleben wollte?
»Alles okay, Sylvia Plath?«, fragte Ethan sie sanft.
Die Luft war kühler geworden, und Emma legte ihre Arme eng an ihren Körper, um sich zu wärmen. »Nicht wirklich.«
»Was ist los?«
Emma fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. »Gott, jedes Mal, wenn wir uns treffen, bin ich ein seelisches Wrack.«
»Macht nix. Ich hab ein Faible für seelische Wracks.«
Aber Emma schüttelte den Kopf. Sie konnte ihm nicht erzählen, was wirklich mit ihr los war, selbst wenn sie es gerne getan hätte.
»Morgen ist mein Geburtstag«, sagte sie stattdessen. »Ich schmeiße eine Party.«
»Ehrlich?« Ethan stützte sich auf einen Arm auf. »Na dann alles Gute!«
»Danke.« Emma lächelte in die Dunkelheit hinaus.
Weit über ihr flog langsam ein Flugzeug über den Nachthimmel, und sie folgte ihm mit den Blicken. In gewisser Hinsicht würde morgen wahrscheinlich der beste Geburtstag ihres Lebens stattfinden. Die meisten anderen ihrer Geburtstage hatte Emma nicht gefeiert – ihren Sechzehnten hatte sie im Büro eines Sozialarbeiters verbracht und darauf gewartet, einer neuen Pflegefamilie zugeteilt zu werden. Ihren elften Geburtstag hatte sie als Ausreißerin mit den Kids auf dem Campingplatz erlebt. Richtig gefeiert hatte sie ihren Geburtstag nur ein einziges Mal. Becky hatte sie auf einen Mittelalter-Markt in der Nähe ihres Wohnorts mitgenommen. Emma war mit einem Karussell gefahren, hatte einen riesigen Truthahnschlegel vertilgt und sich aus Tonpapier ein Wappen in ihren damaligen Lieblingsfarben Neongrün und Türkis gebastelt. Auf dem Weg zum Parkplatz hatte Emma Becky gebeten, sie nächstes Jahr wieder hierherzubringen. Aber an ihrem nächsten Geburtstag war Becky nicht mehr bei ihr gewesen.
Emma starrte in den Himmel. Eine Wolke zog über den Mond und verbarg ihn kurz. »Kommst du auch?«
»Wohin?«
»Zu meiner Party. Ich meine, falls du nichts anderes vorhast. Und nur, wenn du willst.« Emma biss in ihren Daumen. Ihr Herz pochte gegen ihre Rippen. Plötzlich war ihr seine Antwort unheimlich wichtig.
Der Mond erleuchtete Ethans kantiges Profil. Emma wartete geduldig auf seine Entscheidung. Reg dich nicht auf, wenn er Nein sagt, beschwor sie sich selbst. Nimm es nicht persönlich.
»Okay«, sagte Ethan.
Emmas Magen hob sich. »Ehrlich?«
»Ja. Okay, ich komme.«
»Cool!« Sie grinste. »Wenigstens ist dann ein normaler Mensch da.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.« An seinem Tonfall hörte Emma, dass er lächelte. »Wir sind alle nicht ganz normal, findest du nicht? Ich glaube, wir haben alle verrückte Geheimnisse.«
»Ach ja? Und was ist deins?«
Nach einer Pause antwortete Ethan: »Ich bin unsterblich in Madame Renault verknallt.«
Emma kicherte. »Das ist verständlich. Sie ist wahnsinnig sexy.«
»Ja. Ich steh total auf sie.«
»Na, dann viel Erfolg«, sagte Emma. »Ich hoffe, ihr zwei Turteltäubchen werdet miteinander glücklich.«
»Danke.« Ethan legte sich wieder nach hinten, und dabei berührte seine Hand die ihre. Emma starrte auf seine Finger, die ganz dicht neben ihren lagen. Einen Augenblick später legte Ethan seinen Zeigefinger um
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