LYING GAME Und raus bist du
Laurel explodierte fast vor Lachen. »Ich hab dich drangekriegt! Du dachtest echt, ich sei tot!«
Die Frau schnalzte abwertend mit der Zunge. »Das dachten wir alle, du dummes Mädchen! Was ist denn in dich gefahren?« Sie stürmte kopfschüttelnd davon.
Emma setzte sich auf. Ihr Herz fühlte sich an wie eine Fahne, die im Sturmwind flatterte.
Laurel rückte ihr T-Shirt zurecht und bekam wieder Farbe im Gesicht.
»Du warst eine gute Lehrerin, Schwesterlein. Aber ich hätte nie gedacht, dass ich dich so leicht reinlegen könnte.« Dann stand sie auf, hängte sich ihre Tasche über die Schulter und ging zum Regal, um sich eine Nagellackfarbe auszusuchen.
Emma starrte Laurels geraden, schlanken Rücken an. Ihr schwirrte der Kopf. Das war wirklich eine originelle Art gewesen, das Thema zu wechseln und von Thayer abzulenken. Aber sie war beunruhigt. Ein Mädchen, dessen ältere Schwester ihr eine mögliche Romanze mit ihrem Schwarm kaputt gemacht hatte, lachte das nicht einfach achselzuckend weg. Wenn jemand Emma so etwas angetan hätte, wäre sie auf Konfrontationskurs gegangen. Hätte sich beschwert. Hätte sich gewehrt.
Und dann hob Emma den Kopf. Die grellen Deckenlichter heizten ihr Haar auf. Sie konnte sich nur einen Grund für Laurels Verhalten vorstellen.
Ich dachte gleichzeitig genau dasselbe. Vielleicht war Laurel deshalb nicht mehr wütend, weil sie sich bereits gerächt hatte.
25 – Ein Nachzügler für die Gästeliste
»Ich möchte auflösen, Pat« sagte eine Vorort-Mom mit Dauerlächeln im Fernsehen. Es folgte ein Schnitt auf die Glücksrad -Ratetafel. Fast alle Buchstaben des Satzes waren bereits erraten. »Frische Blumen pflücken?«
Triumphale Musik ertönte, als Vanna, die Assistentin, den letzten Buchstaben umdrehte. Die Vorstadt-Mom hüpfte aufgeregt auf und ab, überglücklich darüber, dass sie gerade neunhundert Dollar gewonnen hatte. Es war später Donnerstagabend, und Emma lag auf Suttons Bett und schaute sich eine Glücksrad -Wiederholung auf dem Spielshow-Sender an. Glücksrad beruhigte sie normalerweise immer, weil es sie daran erinnerte, wie sie die Sendung mit Becky auf dem abgewetzten Liegesessel geschaut hatte – sie konnte beinahe das Burger-King-Abendessen riechen und hören, wie Becky die Antworten rief und sich über Vannas mit Pailletten besetztes Ballkleid lustig machte.
Heute Abend aber konnte Emma beim Anblick des Rades im Fernsehen nur daran denken, dass es wie eine Metapher für ihr Leben wirkte. Ihr Schicksalsrad drehte sich, dem Zufall unterworfen. Risiko oder Belohnung. Eine Zwillingsschwester bekam das gute Leben, die andere das miese. Eine Zwillingsschwester war tot, die andere lebte. Die lebende Schwester musste eine Entscheidung treffen: Entweder sie jagte weiter nach der Person, die beinahe sicher ihre Schwester ermordet hatte … oder sie machte sich unauffällig aus dem Staub.
Laurel hatte Sutton getötet.
Sie musste alle paar Sekunden daran denken und bekam jedes Mal wieder aufs Neue Todesangst. Sie war überzeugt davon, dass sie recht hatte. Bislang hatte alles auf Charlotte hingedeutet, aber jetzt schien Laurel die einzige mögliche Täterin zu sein.
Als Emma vom Nagelsalon nach Hause gekommen w ar, hatte sie wieder nach Hinweisen gesucht und zu viel e Verbindungen gefunden: Suttons Facebook-Anmeldefeld war auf Autovervollständigen eingestellt, was bedeutete, dass Laurel sich leicht in Suttons Zimmer schleichen, sich einloggen, die Nachricht von Emma lesen und ihr eine begeisterte Antwort schicken konnte, mit der sie Emma hierherlockte. Und es war Laurel gewesen, die den Brief mit der Nachricht von Suttons Tod auf ihrem Auto gefunden hatte. Außer dem Blütenstaub in der Ecke hatte der Umschlag keinerlei Falten, Knicke oder Schmutzstreifen aufgewiesen, wie es eigentlich der Fall hätte sein müssen, wenn Laurel ihn unter ihrem Scheibenwischer hervorgezogen hätte. Und Emma hatte nicht gesehen, dass der Brief wirklich auf Laurels Auto gelegen hatte – vielleicht hatte Laurel ja gelogen, und sie hatte ihn gar nicht dort gefunden. Genauso gut hätte sie ihn aus ihrer Tasche gezogen haben können.
Laurel war auch bei Charlottes Pyjamaparty gewesen. Sie hatte in Charlottes riesigem Schlafzimmer direkt neben Emma geschlafen und hatte sicherlich gleich gemerkt, dass diese aufgestanden war, um sich etwas zu trinken zu holen. Es konnte durchaus sein, dass sie ihr nachgeschlichen war und sie in der Küche mit Suttons Halskette gewürgt hatte. Und dann noch
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