LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
Freundinnen. Sie waren in schreckliches, gellendes Gelächter ausgebrochen. Hast du wirklich geglaubt, Russ würde sich mit dem Pflegekind verabreden? , hatten sie gehöhnt. Es war eine abgekartete Sache gewesen. Eigentlich ganz genauso wie ein Lügenspiel-Streich.
Ethan öffnete den Mund, als wolle er noch etwas sagen, aber auf einmal riss er die Augen auf. Er hatte hinter Emma etwas gesehen. »Scheiße.« Er beugte sich vor und packte Emmas Arm.
Emma wirbelte herum und starrte in die Richtung, in die er blickte. Nisha Banerjee, die ein schwarzes Kleid mit Stehkragen und Schlangenlederschuhe trug, stand vor einem riesigen Foto, das einen halb nackten Mann zeigte. Ihr Vater stand neben ihr und sah sich mit leerem Gesichtsausdruck um.
»Oh Gott«, flüsterte Emma. In diesem Augenblick drehte Nisha sich um und starrte sie und Ethan voll an. Sie ließ den Hähnchenspieß in ihrer Hand sinken.
»Komm.« Ohne nachzudenken, griff Emma nach Ethans Hand und zog ihn durch die Menge. Ihr Champagnerglas stellte sie auf dem erstbesten Tischchen ab, während sie sich zwischen den Gästen hindurchdrängte. Dabei stieß sie beinahe eine Kellnerin um, die ein Tablett mit Käsegebäck trug. Ein Mann im blauen Anzug, zu dem er einen türkisfarbenen Cowboyhut kombiniert hatte, schüttelte hinter seinem Martini den Kopf, als seien sie zwei Kinder, die von einer Schulhofrauferei flüchteten. Aber Mr Smoking öffnete ihnen so gelassen die Tür, als sehe er täglich Leute aus Vernissagen flüchten. Sie eilten die Treppe hinunter und stürzten sich in die sternenklare Tucsoner Nacht.
Erst als Emma auf der Straße stand, sah sie sich um und prüfte, ob Nisha ihnen gefolgt war. Aber am Eingang stand niemand.
Ethan zog sich das Jackett zurecht und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ganz plötzlich fing Emma an zu kichern. Und auch Ethan schmunzelte.
Aber ihre Albernheit dauerte nur einen Moment. »Nisha hat uns auf jeden Fall gesehen.«
Emma ließ sich auf eine grüne Parkbank fallen und seufzte tief.
»Na und? Wen stört’s?«, fragte Ethan. Er setzte sich ebenfalls.
»Mich«, antwortete Emma. »Sie wird meinen Eltern erzählen, dass ich abgehauen bin.«
»Bist du sicher, dass dich nicht etwas anderes stört?«, fragte Ethan mit einem Seitenblick. »Macht es dir nichts aus, dass sie uns … zusammen gesehen hat?«
Emmas Magen hob sich. »Nein, natürlich nicht. Macht es dir etwas aus?«
Ethan sah sie unverwandt an. »Was glaubst du denn?«
Jazz drang von der Party zu ihnen hinüber. Auf der anderen Seite der Straße huschte eine streunende Katze zwischen den Rädern eines parkenden Autos umher. Ethan rückte ein bisschen näher, bis ihre Beine sich berührten. Emma sehnte sich danach, ihn zu küssen, aber sie war ungeheuerlich nervös.
»Ethan …« Sie wendete sich ab.
Ethan legte seine Hände in den Schoß. »Okay, verstehe ich da irgendetwas falsch?« Er klang gleichzeitig verunsichert und verärgert. »Manchmal habe ich nämlich den Eindruck, du willst auch … du weißt schon. Aber dann machst du jedes Mal einen Rückzieher.«
»Es ist … kompliziert«, sagte Emma mit bemüht ruhiger Stimme.
»Inwiefern?«
Emma kaute an ihrem Fingernagel herum. Sie wünschte sich schon sehr lange einen festen Freund. In Vegas hatte sie sogar einen Stern »Freund-Stern« getauft und gehofft, dies sei ein Zeichen, dass sie bald den Jungen treffen würde, der für sie bestimmt war. Aber jetzt war sie hin-und hergerissen.
»Es liegt an diesem Leben, das ich gerade lebe«, begann Emma zögernd. Sie hatte einen Kloß im Hals. »Ich bin unheimlich gern mit dir zusammen. Du bringst mich zum Lachen, und du bist der einzige Mensch hier, bei dem ich ich selbst sein kann. Für alle anderen bin ich nur Sutton.«
Ethan schaute hoch und begegnete Emmas Blick. Seine Augen waren riesig und bittend, aber er hörte ihr geduldig zu. »Ich spiele die Rolle eines toten Mädchens, Ethan«, sagte sie. »Ich bin in Gefahr, und du bist der einzige Mensch, der davon weiß. Ich lebe gerade nicht mein eigenes Leben, deshalb ist das … Timing wirklich schlecht.« Sie hatte immer geglaubt, »schlechtes Timing« sei nur eine Ausrede vom Kaliber »Es liegt an mir, nicht an dir«. Aber diesmal stimmte es. Sie hatte starke Gefühle für Ethan, aber sie wusste nicht, wie sie mit ihm zusammen sein sollte, solange in ihrem Leben alles drunter und drüber ging. »Und was wäre, wenn wir im Streit auseinandergingen? Dann wäre ich wieder ganz allein.« Sie rang
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