LYING GAME - Weg bist du noch lange nicht
besser in eine Flüsterkneipe aus den 1920er-Jahren gepasst hätte, und ein paar der angetrunkenen Gäste begannen zu tanzen. Ethan wedelte sich eine Wolke Zigarrenrauch aus dem Gesicht.
Schweigend gingen sie zu dem nächsten Ausstellungsstück: einer Collage aus Polaroidbildern, die Körperteile zeigten. Augen, Nasen, Füße, Ohren. »Ich liebe Polaroids«, sagte Ethan.
»Ich auch«, antwortete Emma, erleichtert über den Themenwechsel. »Meine Mom hat mir eine Polaroidkamera geschenkt, als ich noch klein war. Kurz danach verschwand sie.«
»Vermisst du sie?«, fragte Ethan.
Emma drehte den langen Stiel ihres Champagnerglases in den Händen. »Es ist schon sehr lange her«, sagte sie vage. »Ich weiß gar nicht mehr genau, was ich eigentlich vermisse.«
»Was, glaubst du, ist mit ihr passiert?«
»Ach, ich weiß nicht.« Emma seufzte und ging an einem Grüppchen Kunstkenner vorbei, die laut damit angaben, dass sie im goldenen Zeitalter der New Yorker Kunstszene alle mit Andy Warhol befreundet gewesen waren. »Früher dachte ich immer, sie sei ganz in der Nähe und beobachte mich. Ich glaubte, sie würde mir von Familie zu Familie folgen und in meiner Nähe bleiben. Um sicherzustellen, dass es mir auch gut ging. Aber jetzt weiß ich, wie dumm das war.«
»Das ist überhaupt nicht dumm.«
Emma starrte angelegentlich auf die Preisliste an der Wand, als dächte sie ernsthaft darüber nach, ein Kunstwerk zu erwerben. »Doch, das ist es. Becky hat mich verlassen. Sie hat ihre Wahl getroffen und daran ist nicht zu rütteln.«
»Hey.« Ethan drehte Emma zu sich um. Einen Augenblick lang sah er sie nur an und in Emmas Bauch flatterten tausend Schmetterlinge auf. Dann strich er ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. »Sie hat die falsche Entscheidung getroffen. Das weißt du, oder?«
Emma wurde von einer Flut von Gefühlen überschwemmt. »Danke«, sagte sie leise und sah ihm in die runden blauen Augen.
Küss ihn , flüsterte ich und fühlte mich wie der singende Einsiedlerkrebs aus Arielle die Meerjungfrau . Ich selbst würde nie mehr einen ersten Kuss erleben, also musste ich eben Emma anfeuern.
Eine Frau im violetten Kleid stieß gegen Emma. »Sorry«, lallte sie. Ihre Augen waren glasig, ihre Wangen vom Alkohol rot angelaufen. Emma wich kichernd von Ethan zurück.
»Woher weißt du eigentlich, wie man sich auf eine Vernissage schleicht?«, fragte Emma und strich Suttons Kleid glatt. »Ich dachte, du könntest Partys nicht leiden.«
Ethan ging zu einer Reihe von Fenstern im hinteren Teil der Galerie, die auf eine steinerne, mit Lichterketten geschmückte Terrasse hinausgingen. »Das bin ich gar nicht. Ich mag nur keine Partys mit geschmuggeltem Alkohol und Saufwettkämpfen. Die sind so …«
»Kindisch?«, half Emma aus. »Aber manchmal muss man sich darauf einlassen, wenn man Freunde haben will.«
Ethan leerte sein Champagnerglas und stellte es auf einem Tischchen ab. »Wenn das der Preis ist, dann verzichte ich lieber.«
»Und was ist mit Freundinnen?«, fragte Emma nervös weiter. Sie suchte schon seit Tagen nach einer Möglichkeit, ihn das zu fragen.
Ethans Lippen umspielte ein kleines Lächeln. »Ja, das hatte ich schon ein paar.«
»Kenne ich eine davon?«
Achselzuckend ließ sich Ethan in einen der kantigen Ledersessel sinken, die aussahen, als gehörten sie zur Ausstellung.
»War was Ernstes dabei?«, drängte Emma, setzte sich neben ihn und drückte sich ein weiches Kissen an die Brust.
»Einmal ja. Aber das ist vorbei. Und bei dir?« Sein Blick streichelte ihr Gesicht. »Hast du in Vegas jemanden zurückgelassen?«
»Nicht wirklich.« Emma starrte in ihren Schoß. »Ich hatte ein paar Mal einen Freund, aber es war nie was Ernstes. Und dann gab es da noch diesen einen Typen, aber …«
»Aber was?«
Emmas Kehle wurde eng. »Es wurde nichts daraus.«
Sie wollte eigentlich nicht lügen, aber von ihrem peinlichen Fiasko mit Russ Brewer, in den sie sich unglücklicherweise verknallt hatte, wollte sie ihm auch nichts erzählen. Sie hatte sich eifrig auf das Date vorbereitet, das auf seine Initiative hin zustande gekommen war. Von Alex hatte sie sich ein Kleid ausgeliehen, die Kate-Spade-Schuhe aus der Vorjahreskollektion angezogen, die sie in einem Secondhandshop ergattert hatte, und sich dreimal die Haare gewaschen und neu gestylt, bis ihre Frisur perfekt saß.
Aber als sie beim Treffpunkt angelangt war, wartete dort nicht Russ auf sie, sondern seine Exfreundin Addison Westerberg und ihre
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