Lykandras Krieger 2 - Blutsklavin (German Edition)
der Vision auf sich hatte. Sie überlegte, ob sie sich Auroras Rat dazu anhören sollte, denn obwohl die Vision nur kurz und sehr uneindeutig gewesen war, war sie doch stärker als die vorherigen. Aurora war eine Empathin. Ihre Begegnung war nicht ganz zufällig gewesen, wie sie später erfahren hatte. Aurora hatte ihr verraten, sie hätte gesehen, dass sie jemanden treffen würde, den sie schulen musste. Jemanden, der eine besondere Gabe besaß. Doch Theresa war zu dem Zeitpunkt davon überzeugt gewesen, ihre Bestimmung bei Levan gefunden zu haben und hatte Auroras Angebot dankend abgelehnt. Die kleine Frau, die immer gänzlich verhüllt durch die Gegend lief, blieb aber hartnäckig und sie trafen sich immer öfter. Erst später, als sich ihre Beziehung zu Levan veränderte, war sie letztendlich auf Auroras Angebot zurück gekommen und hatte sich nach und nach mit der merkwürdigen Frau angefreundet. In letzter Zeit hatte sie Aurora jedoch vernachlässigt und sie nahm sich vor, sie bald zu besuchen. Wie sehr Levan und die Vampire ihr doch die Kraft raubten. Sie schüttelte diesen frustrierenden Gedanken ab, denn Maeva legte ein zügiges Tempo an den Tag und so schnell sie nur konnte hastete sie ihr nach, aber sie hatte Schwierigkeiten Schritt zu halten.
Kaum hatten sie das Center verlassen, geschah es. Ganz unvermittelt. Theresas Absatz blieb in einer Rille hängen und sie stürzte der Länge nach zu Boden. Die Tüten glitten ihr aus den Händen und flogen durch die Luft. Eine landete mitten auf der Fahrbahn und ein schneller Sportwagen zerfetzte sowohl die Plastiktasche als auch den Inhalt.
Theresa richtete sich erschrocken auf. Ausgerechnet Maevas letzte Errungenschaft hatte es erwischt.
Das war ihr Todesurteil.
Schon stand sie wieder auf den Beinen und rannte zu den Überresten. Einzelne Stofffetzen säumten die Straße. Theresa spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Verflucht, wie hatte sie nur so ungeschickt sein können?
„Du blöde Kuh!“, keifte Maeva, packte sie an den Haaren und zog sie von der Straße.
Theresa spürte die verunsicherten Blicke vorbei eilender Passanten, aber niemand schritt ein. Die Vampirin zog so fest an ihren Haaren, dass sie glaubte, sie würde ihr gleich den ganzen Skalp abreißen.
„Wie kann man nur so unfähig sein?“, kreischte Maeva und zerrte Theresa meterweit hinter sich her.
Genau genommen war es gut, dass ihr niemand half. In ihrer Wut hätte Maeva womöglich noch einen Helfer angegriffen.
„Es tut mir leid! Das war keine Absicht.“
„Du bist sogar zu blöd zum Laufen!“
„Bitte, Maeva. Ich wollte das nicht.“
„Halt den Mund.“
Wütend ließ Maeva von ihr ab. Theresa geriet ins Straucheln und stürzte zu Boden, während die Vampirin die übrigen Tüten aufhob. Ihr Körper bebte vor Zorn und sie hatte das dumpfe Gefühl, dass das längst noch nicht alles war, was sie zu spüren bekommen würde.
„Wirklich, Maeva ...“
„Ich hab gesagt, du sollst den Mund halten.“ Maevas Blick fiel auf die Uhr. Es war kurz vor acht Uhr. „Die Boutique macht in fünf Minuten zu. Ich rate dir, die Beine in die Hand zu nehmen und mir ein neues Kleid derselben Art zu besorgen.“
Theresa atmete auf. „Keine Sorge, Maeva. Du bekommst ein neues Kleid.“
Die Vampirin funkelte sie ungeduldig an. „Quatsch nicht lange herum, mach dich auf den Weg.“
Theresa eilte los. Obwohl ihr Absatz abgebrochen war, gelang es ihr erstaunlich gut, das Gleichgewicht zu halten. Sie stolperte und schlitterte durch die große Halle, bog um eine Ecke und fuhr mit der Rolltreppe ins obere Stockwerk. Eine große Uhr hing von der Decke. Ihr riesiger Zeiger bewegte sich bedrohlich auf die zwölf zu. Gleich war es acht.
Sie rannte weiter, knickte mit dem Fußgelenk um. Verflucht. Es tat höllisch weh. Als wären sämtliche Bänder gerissen. Tapfer biss sie die Zähne zusammen und stolperte weiter. Wenigstens rückte die Boutique in Sichtweite. Aber als Theresa die Tür erreichte, musste sie zu ihrem Entsetzen feststellen, dass sie verschlossen war. Das Licht war jedoch noch an und eine Frau stand an der Kasse. Offenbar machte sie die Abrechnung.
Hektisch klopfte sie gegen die Scheibe. „Machen Sie bitte auf! Ich muss noch etwas kaufen!“
Die Frau blickte hoch, schüttelte den Kopf. Ganz offensichtlich hatte sie kein Interesse daran, noch einen Gewinn am Abend einzufahren. Wahrscheinlich handelte es sich um eine kleine Angestellte, der es im Grunde egal sein konnte und
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