Lynettes Erwachen
hatte gewusst, dass es ein Fehler war, doch nicht widerstehen können, der Einsamkeit ein paar Stunden länger zu entfliehen. Es war schön bei ihnen gewesen, bis zu dem Augenblick, als sie in der Nacht aufwachte und ein lautes Stöhnen die Stille zerriss.
Bedachte man, dass das Gästezimmer auf einer anderen Etage lag, hatte William Justine ganz schön in Fahrt gebracht. Neid, Scham und Erregung hatten in ihrer Brust miteinander gekämpft. Die Scham siegte, als sich Lynettes Finger einen Weg zwischen ihre Beine gesucht und sie die verräterische Nässe gespürt hatte.
Ein unbändiger Zwang ergriff von ihr Besitz, als sie in das kleine Büro ging, um Papiere abzuheften. Ohne es zu wollen, ohne sich dagegen wehren zu können, setzte sie sich an den Schreibtisch und startete den Computer. Vier Buchstaben blinkten in ihrem Schädel wie eine Signalleuchte: BDSM.
Elias hatte vehement bestritten, dass der Club ein Puff sei. Gut, sie hatte sich geweigert, ihn sich anzusehen und Genaueres zu erfahren. Er hatte nicht wirklich erwartet, dass sie sich noch einmal einer solchen Szene auslieferte, zumal, während er neben ihr stand?
Sie gab ein paar Suchbegriffe ein, aber fand nichts Befriedigendes. Alles kam ihr schmuddelig vor. Selbst die kleinen Filmchen, die sie mit rot glühenden Wangen ansah, gaben nicht annähernd das wieder, was sie gesehen hatte. Es war geistlos, ekelig und wenig stimulierend.
Was hatte sie erwartet? Ihre Fantasien waren untrennbar mit Elias verbunden. Nichts, was sie im Netz finden würde, konnte dem nahekommen.
Warum setzte sie sich überhaupt damit auseinander? Es sollte sie überhaupt nicht interessieren, was in diesem Club vor sich ging. Sie würde sowieso nie wieder einen Fuß in dieses Haus setzen.
Genervt wollte sie den Computer runterfahren, als ihr Blick an einem einzelnen Wort hängen blieb: Sadomasochismus.
Sie las von Lustschmerz und Demütigung, Unterwerfung, Machtspielen. Was bewegte einen Mann dazu, solche Dinge zu tun, und was mussten das für Frauen sein, die sich das gefallen ließen? Wie konnte man es als schön empfinden, geschlagen zu werden?
Das war abartig und pervers!
Schlagartig hatte sie das Bild einer Frau auf einem Schreibtisch im Kopf, das ihr Tränen in die Augen trieb. Sie schüttelte den Kopf und verdrängte die Erinnerung mit aller Macht.
Lynette war erleichtert, als sie am Montagmorgen das Büro betrat. Endlich wieder den gewohnten Rhythmus zu haben, beruhigte sie. Nachdem sie sich eine große Tasse Kaffee eingeschenkt hatte, machte sie sich augenblicklich an die Arbeit.
„Ms. Harllow?“
Lynette zuckte zusammen. Als sie aufblickte, stand Evelyn in der Tür und lächelte freundlich. „Verzeihen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken. Mr. Drake hat angerufen und den Termin für dreizehn Uhr bestätigt. Er sagte, er bringe die Unterlagen mit.“
„Welchen Termin?“, fragte Lynette überrascht, und eine böse Vorahnung nahm in ihr Gestalt an.
Evelyn schloss die Tür und trat näher an den Tisch. Lynette mochte die kleine, rundliche Mittfünfzigerin. Seit drei Jahren war diese ihre persönliche Assistentin, und manchmal hatte sie das Gefühl, Evelyn wäre mehr eine Mutter für sie, als ihre eigene es je gewesen war. Das liebevolle Lächeln und die vertrauensvolle Nähe, die Evelyn jetzt aufbaute, beunruhigten sie.
„Wovor haben Sie Angst, Ms. Harllow? Er ist ein sehr attraktiver Mann, und nett ist er auch. Das Leben besteht nicht nur aus Arbeit.“
„Was für ein Termin?“, wiederholte Lynette die Frage.
„Mr. Drake hat einen Tisch im Balzac bestellt.“
„Im Balzac ? Ist der verrückt geworden? Rufen Sie an und richten Sie ihm aus, dass er ins Büro kommen soll.“
„Nein, Ms. Harllow, das werde ich nicht tun.“
Evelyns unbeugsamer Wille brachte Lynette ins Straucheln. Sie empfand diese Direktheit als unverschämt, konnte sich jedoch nicht dagegen wehren. Kurzerhand griff sie selbst zum Telefon. Evelyn legte ihre Hand auf den Hörer und funkelte Lynette vorwurfsvoll an.
„Sie werden hingehen und wenn ich Sie persönlich im Restaurant abliefere.“
„Warum? Was soll das Ganze? Er ist ein Klient!“ Trotz machte sich in Lynette breit.
„Mein Gott, Ms. Harllow, ich sehe doch, wie einsam Sie sind. Er möchte Sie lediglich näher kennenlernen. Gehen Sie mit ihm essen, plaudern Sie ein wenig, und machen Sie sich einen schönen Nachmittag. Was ist denn so schlimm daran?“
„Und was soll das bringen?“
„Sie mögen ihn, nicht
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