Lynettes Erwachen
wahr?“
Lynette musste nicht antworten. Ihre Wangen fühlten sich glühend heiß an.
„Ich werde alle Termine für heute Nachmittag absagen. Machen Sie sich einen schönen Tag.“
„Das geht nicht, Evelyn.“ Der Einwand klang selbst in ihren Ohren halbherzig.
„Und ob das geht. Ich werde Mr. Ramsey informieren, dass Sie ein Treffen mit Mr. Drake haben.“ Die beiden Frauen lächelten einander verschwörerisch an. Das würde Andrew die Sprache verschlagen.
„Können Sie ihm nicht erzählen, ich wäre mit Drake essen und Sie sagen den Termin trotzdem ab?“
„Eins sind Sie sicher nicht, und das ist feige.“
Verdammt! Evelyn wusste, welche Knöpfe sie drücken musste. Lynette bei der Ehre zu packen, war gemein. Als Evelyn das Büro verließ, zitterte sie so sehr, dass ihr der Stift aus der Hand fiel. Dieser Teufel hatte sie abermals reingelegt, und Evelyn gleich mit auf seine Seite gezogen.
Gut! Sie würde ihm ein für alle Mal zu verstehen geben, dass er diese Annäherungsversuche unterlassen sollte. Im Grunde bot das Balzac die beste Gelegenheit. In der Öffentlichkeit konnte er ihr wenigstens nicht zu nahe treten.
Elias sah umwerfend aus, als er sich erhob und sie willkommen hieß.
„Ich freue mich, dass Sie es einrichten konnten, Ms. Harllow.“
„Haben Sie mir eine andere Wahl gelassen?“
Sie wusste, dass sie unfreundlich war. Professionell war ihr Verhalten nicht. Die Unsicherheit, die sie in seiner Nähe empfand, brachte sie dazu, ständig auf Abwehr zu gehen. Mit einem unverbindlichen Lächeln setzte sie sich und musterte ihn, als er gegenüber Platz nahm. Er trug einen dieser exquisiten Maßanzüge, die ihn so unwiderstehlich aussehen ließen. Der dunkelgraue Stoff schimmerte leicht und betonte das Mitternachtsschwarz seiner unbändigen, dichten Mähne. Lynette ertappte sich bei dem Wunsch, mit den Fingern durch dieses seidig glänzende Haar zu fahren. Zum Glück kam der Kellner, riss sie aus ihren Gedanken, und sie bestellte sich ein Wasser und Fischfilet auf Kräuterrisotto.
Drake hob skeptisch eine Augenbraue, sagte jedoch nichts, schwenkte elegant die goldene Flüssigkeit in seinem Glas.
„Ich trinke nicht gern Alkohol.“ Wieso sagte sie das? Das ging ihn nicht das Geringste an.
„Warum nicht?“ Seine Stimme klang unendlich sanft, fast zärtlich. Dieses Essen war alles andere als geschäftlich.
„Ich kann es nicht leiden, wenn meine Wahrnehmung beeinträchtigt wird.“
Ein abfälliger Laut erklang. Natürlich fühlte sie sich angegriffen. „Sie sind anderer Meinung?“
Langsam hob er den Kopf. Die blauen Augen trafen sie wie ein Schlag.
„Ich glaube, dass Sie das Gefühl, Sie könnten die Kontrolle verlieren, nicht ertragen.“
Er sprach ruhig, doch der Blick sagte ihr, dass er wusste, dass er recht hatte. Überrascht öffnete Lynette den Mund, schloss ihn jedoch wieder, da sie nicht wusste, was sie entgegnen sollte.
Der Kellner brachte das Wasser und lächelte fragend. Er stand abwartend neben ihr und starrte in den Ausschnitt ihres Blazers.
„Gibt es ein Problem mit dem Fisch?“, fragte Lynette pikiert. Der Blick des Kellners behagte ihr nicht.
„Nein, Ma’am, es gibt keine Probleme. Möchten Sie einen Aperitif vor dem Essen?“
„Dann hätte ich etwas in der Richtung bestellt, vielen Dank.“
Sie wandte die Aufmerksamkeit ihrem Gegenüber zu, und damit war der Kellner entlassen. Drake schien belustigt. Dessen Mund sah gleichmütig aus, indes waren die kleinen Fältchen um die Augen eine Nuance tiefer als sonst. Lynette straffte unmerklich die Schultern und riss sich von diesem Anblick los.
„Würden Sie mir freundlicherweise das Exposé geben?“
„Nach dem Essen, Ms. Harllow. Es ist sehr ungesund, eine Mahlzeit nebenbei einzunehmen und außerdem eine Beleidigung für den Koch. Genießen Sie das gute Essen. Erzählen Sie mir von sich.“
„Ich bin Anwältin und seit fünf Jahren bei Ramsey & Smith . Was wollen Sie noch wissen?“ Oh, oh! Diese Frage war ein Fehler. Das Aufblitzen in seinen Augen jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
„Wohin führt Sie Ihr Weg?“
„Bitte?“ Darauf wusste sie nichts zu sagen. Worauf wollte er hinaus? Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er die nächste Frage ins Private lenken würde. Dagegen hätte sie sich besser wehren können.
„Ich habe den Eindruck, Sie hängen bei Ramsey & Smith fest. Wollen Sie nicht eine eigene Kanzlei eröffnen? Ich könnte mir vorstellen, dass es sehr unangenehm ist,
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