Lyon - A.M.O.R. 01
Nichts. Kein Schimmern, kein Leuchten.
Tehlic setzte sich auf den Steinboden, hier war er unbeobachtet und schloss die Augen, die Schatulle an seine Stirn gepresst. Er ließ seine Magie fließen, ließ sich von seinen Instinkten führen. Das Einzige, was er wahrnahm, war der Geruch seines Blutes …
Mit einer Bewegung ritzte er sich erneut den Daumen auf und strich damit über den Deckel der kleinen Truhe.
Ein goldenes M glimmte dezent beinahe mittig auf der Wölbung des Schatullendeckels auf. Tehlic schluckte, als zarte Energien seine Hände heraufkrochen, seine Haut mit einem feinen Kribbeln überzogen, bis sie seine Herzen und seinen Geist überfluteten.
Das Gefühl von unbändiger Macht überwältigte ihn. Geheimnisvolles Flüstern hallte dumpf und unverständlich wider, helle Stimmen vermischten sich zu einem spirituellen Singsang, der ihn einnahm und zugleich in Ehrfurcht versetzte. Ein goldener Hauch umhüllte ihn, durchzog ihn immer intensiver wie mächtige Seelen. Er schloss die Lider und gab sich dem eindringlichen Gewisper hin, das er nicht verstand. Die Farbschleier glühten beschwörend, bevor sie plötzlich erloschen.
Tehlic atmete schwer. Was um Himmelswillen war das für eine Truhe? Magisch auf jeden Fall. Und Furcht einflößend. Er betrachtete den Deckel. Das M war leicht links, fast mittig erschienen … einer Eingebung folgend holte er die Ampulle hervor, die das Blut der blonden Frau enthielt. Er kostete es und spürte die amorphen Aromen, die Stärke, die in ihm wirkte. Noch schwach, schließlich war es noch menschlich, aber sie stand kurz, sehr kurz vor der Wandlung. Und er würde dabei sein.
Er lachte auf und träufelte das Blut auf die Schatulle. Ein A vor dem nicht mehr sichtbaren M wurde erkennbar und Tehlics Herzen galoppierten los. Er hatte wahrlich einen unermesslichen Schatz entdeckt, der sich skurrilerweise schon seit so langer Zeit in seiner Hand befand. Jetzt erst, im Vollbesitz seiner magycen Kräfte, hatte das Schicksal ihn zu der magischen Truhe geleitet und jetzt erst war es möglich, der Truhe das Geheimnis zu entlocken, das sie hütete.
A, M, … Für das Wort Amorph würde der Platz auf dem Deckel nicht ausreichen. Sollte er tatsächlich einen Beweis für die Existenz der sagenumwobenen und seit Urzeiten verschollenen Spezies der AMOR in Händen halten?
Tehlic horchte plötzlich auf. So tief unten in den ursprünglichen und verlassenen Gängen verlor sich niemals ein Geräusch. Er witterte etwas. Seine Magie glühte förmlich auf. Er war wohl der einzige Magyc, bei dem sie das noch derart intensiv tat, und ihn nun vor dem Feind warnte. Fremde Amorphen befanden sich im FAL, statteten ihnen einen Besuch ab, um ihre wertvolle Nachzucht zu befreien.
Lyon witterte seinesgleichen, segelte rasch einen Treppengang hinab und verharrte am Anfang eines unermesslich langen Flurs, der weder Türen noch Fenster barg, nur die Wände links und rechts und alle paar Meter eine kleine Glasplatte in Brusthöhe. Seine Sinne ließen sich nicht täuschen, sprachen die grauenhafte Wahrheit, es handelte sich um unzählbar viele Gefängnisse, die beidseits des Ganges bis in die Unendlichkeit zu reichen schienen.
Totenstille ballte sich im Korridor wie ein Vakuum. Die sauerstoffarme Luft war geschwängert von Betäubungsmittel. Es zog ihm das Herz qualvoll zusammen. Lichtblitze zeichneten verstümmelte Amorphen vor seine Augen, trieben ihm Schauder unter die Haut. Wie hatte er das all die Jahre zulassen können? Wusste denn niemand, was hier geschah?
Die Antwort gab er sich, während er von ohnmächtiger Frustration erfasst den engen Durchgang entlangschwebte und nach bestimmten Auren suchte. Wenn Bash es zeit seines Lebens nicht herausgefunden hatte, ahnte wohl kein Amorph von diesen psychopathischen und verachtenswerten Gräueltaten.
Lyon stockte, nahm Gestalt an und legte seine zittrigen Hände an das glatte goldene Metall.
„Mack.“ Seine brüchige Stimme bebte, fast versagten ihm die Knie. „Oh nein, Mack, was haben sie dir angetan?“ Heiße Tränen verschleierten seinen Blick. Er spürte auch Macks Frau Usla in der Nähe. Lyon streckte die Finger aus, berührte mit den Lippen den toten Stahl. Eiskalt wie die Faust, die seine Brust quetschte. „Ich hole euch hier heraus. Alle!“
Es fiel ihm unsagbar schwer, sich nach so langer Zeit von seinem Freund zu lösen. Doch er musste. Er hastete weiter. Kein Magyc schien sich hier aufzuhalten, Kameras wich er aus. Die golden
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