Lyon - A.M.O.R. 01
Nur das Blut eines bestimmten Magycen öffnete diese Kerkertür. Er hoffte nicht auf den Zufall, der Kerl kam sicher nicht in den nächsten Minuten hierher, genauso wenig brachte es was, das riesige Laboratorium nach einem eisblauen Kittel oder eisblauen Augen abzusuchen. Adina litt geschwächt infolge der Entbehrungen und Blutarmut, ihr Fieber ließ sie glühen, sie würde sich innerhalb der kommenden Stunden wandeln und sterben. Es raubte ihm den Verstand, den er jetzt zwingend benötigte.
Sich weiter die Haare zu raufen, brachte nichts. „ Adina, vertrau mir, ich hol dich hier raus. Rechtzeitig. Hab noch etwas Geduld, ich komme wieder.“
Das Tempo seines Fluges durch die verwirrenden Gänge wischte ihm die Tränen fort, bevor er sich verwandelte. Seine Kräfte zehrten sich auf. Er wollte Adina sagen, wie sehr er sie brauchte, wie unendlich er sie liebte, wie unsagbar ihm alles leidtat, wie sehr er sich wünschte, sie glücklich machen zu können … aber er wusste auch, es war sinnlos, ihr dies zu sagen und er hatte kein Recht dazu, denn sie hatte einen anderen Mann – Emanuel. Doch viel schlimmer war, er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sie aus der Zelle, geschweige denn aus dem FAL befreien konnte. Ihre Angaben waren zu vage, um den Richtigen rechtzeitig zu finden, außerdem konnte er sich nicht auf ihre derzeitige Wahrnehmung verlassen.
Er schwebte als Nebel einen Lüftungsschacht empor, sondierte die Umgebung und raste weiter. Nichts war wichtiger als Adinas Leben. Dennoch schien seines und sogar das seiner Spezies mit ihrem Schicksal verbunden. Wenn er sie schon nicht lieben durfte, dann sollte sie verdammt noch mal leben, glückselig, in Frieden und mit Hoffnung. Er durfte nicht versagen, er benötigte Hilfe. Er würde um sie bitten, betteln, flehen, falls nötig.
Es glich einem Wunder, unbehelligt Tropicals Anweisungen folgend durch den gesamten Komplex zu rauschen. Lyon materialisierte sich unmittelbar vor der Tür zum Haupteingang und hoffte, diesen ohne weiteres Zutun passieren zu können. Er ging in seiner menschlichen Gestalt auf das Portal zu, registrierte das Auslösen der Lichtschranke und wartete das Aufgleiten der Tür ab. Er atmete heilfroh und erleichtert aus, als er den Haupteingang passierte und frische Nachtluft ihm entgegenschlug. Doch im selben Moment trafen goldene Strahlen auf seinen Schild, der sich selbstschützend blitzschnell aufgebaut hatte.
Sie erwarteten ihn, genau wie damals in jener verhängnisvollen Nacht. Sie wussten von seinem Eindringen, hatten jedoch einen unberechenbaren Kampf in ihren heiligen Räumlichkeiten vermeiden wollen. Sie würden Adina fortschaffen und er erhielt keine weitere Chance, sie zu retten.
Schon schlugen Hitzepartikel durch das energetische Geflecht seiner Aura. Teufelsmagie verhinderte, dass er sich in Nebel verwandelte. Er versuchte, an Höhe zu gewinnen, aber sie hatten ihn umzingelt. Es wäre unklug, seine Energie für Angriffe zu verschwenden. Vermutlich wollten sie ihn in einen sinnlosen Kampf verwickeln. Er war nicht feige, aber er musste überlegt handeln. Sie waren vorbereitet, hatten genügend Zeit gehabt, ihm eine tödliche Falle zu stellen. Er schickte alles, was er aufbringen konnte, in seinen Schutzpanzer und suchte fieberhaft nach einer winzigen Lücke in den Reihen des Feindes.
So musste es sich anfühlen, wenn man langsam in das Reich der Toten hinüberglitt. Adina hatte empfundene Jahre gegen die besitzergreifende Kälte angekämpft, mit warmen Gedanken versucht, ihren Puls im Takt zu halten oder wenigstens den Rumpf imaginär zu erhitzen, hatte die Finger und Zehen bewegt, um für ein wenig Durchblutung zu sorgen. Doch der Frost erwies sich als zäh, kroch ihr durch die Adern, unaufhaltsam auf ihr Herz zu, um sie gänzlich zu verschlingen. Es glich dem millimeterweisen Eintauchen in ein Eisloch eines Gletschersees, bis der Atem auf ewig stockte. Jede noch so winzige Überlegung gefror, bevor ein vollständiger Gedanke daraus erwachsen konnte. Ihre Seele glitt hinüber in eine lähmende Taubheit.
Etwas traf ihre Wange. Ihr Kopf flog willenlos zur Seite. Sie empfand nichts. Alles eine Leere. Erst, als ihr schwindlig und kotzübel wurde, spürte sie ihren Pulsschlag, fühlte, sie lag auf jemandes Armen, vernahm den Rhythmus gehetzter Schritte.
Lyon! Es war kein Traum gewesen! Er war zurückgekommen, hatte sie geholt, gerettet. Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, Schwäche erdrückte sie. Sie musste ihn
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