Lyon - A.M.O.R. 01
flimmernden Gänge verloren sich in der Endlosigkeit, ein Irrgarten, sogar für ihn, dessen Gedächtnis imaginär jeden Gang auf einer Karte in seinem Kopf speicherte. Er würde zu spät kommen.
„Bin schon da, Großer.“ Tropicals Stimme klang brüchig und gehetzt, obwohl sie als Geist sicher eine schier unendliche Ausdauer haben musste.
„Hast du sie …?“
„Ja! Komm! Rasch! Hier entlang.“
Lyon sauste all seine Kräfte mobilisierend hinter dem verwischten Schatten her, den sein Ozelot für ihn sichtbar hinterließ. Sie kurvten in rasanter Geschwindigkeit von Gang zu Flur zu Ebene. Ihn schwindelte, bange Angst umklammerte ihn, bis ihm der bekannte Erdbeerduft von einer Sekunde auf die andere den Puls ins Herz feuerte.
Lyon stoppte und legte die Handflächen an die Stahlwand. „Kannst du hinein?“
Es dauerte einen Augenblick, bis Tropical antwortete. „Ja, aber ich kann die Tür nicht für dich öffnen. Adina liegt dort, angeschlossen. Die Schweine zapfen ihr Blut ab.“
Lyon presste die Kiefer zusammen und stemmte sich mit all seiner Kraft und Magie gegen die verborgene Tür. Sein Körper bebte. Schweiß trat ihm auf die Stirn, er bündelte seine Energie, aber das goldene Metall verzog sich kein Stück. Er ließ keuchend ab.
„Adina“, versuchte er es in Gedanken, „ Adina, hörst du mich?“ Er betonte jede Silbe. „Adina, wach auf!“ Zwecklos. Lyon konzentrierte sich, suchte nach einer feindlichen Aura, aber keiner hielt sich in der Nähe auf. Es war zum Verrücktwerden. Wo war der Feind, wenn man ihn brauchte? Wie der Blitz schoss Lyon zurück durch die Gänge. In das Labor mit den Riesenaquarien, in dem der betäubte Magyc vielleicht noch lag, kam er nicht hinein, doch auf der Ebene waren die meisten Mitarbeiter beschäftigt.
Nach ein paar Minuten glitt er mit einem in tiefer Trance befindlichen Wissenschaftler zu Adinas Zelle. Er ritzte ihm in den Daumen und drückte diesen auf das Glasfeld.
Nichts. Das durfte nicht wahr sein! Das konnte nicht wahr sein! Er wiederholte die Prozedur. Kaltes Grausen schüttelte ihn. Vor Wut und Frust schnaufte er, schleuderte den Magyc auf den Boden. Gottverdammt! Warum funktionierte das nicht? „ Adina, ich bin’s! Lyon. Wach auf, bitte!“ Er raufte sich die Haare.
„Lyon?“
Sämtliche Energie floss aus Lyon hinaus, um wie eine gigantische Welle zurück in seine Glieder zu schwappen. Er küsste fast den Stahl. „Adina! Du lebst. Du bist wach. Gott sei Dank.“ Er musste sich beruhigen, besonnen überlegen, doch er hatte nur einen Gedanken. „ Ich hol dich hier raus, Adina. Halt noch etwas durch. Ich hole dich heraus!“
„Ja …“
Die Schwäche in ihrer Stimme jagte ihm frostige Furcht über die Haut. Er ballte die Hände hilflos zu Fäusten. „ Wie komme ich zu dir?“
„Weiß nich…“
Ihm traten Tränen in die Augen. Ihr zarter Körper pumpte viel zu wenig Blut durch ihren Kreislauf. „Tropical, kannst du sie von den Kanülen befreien?“
„Klar.“
Einige nervenzerreißende Sekunden vergingen, bis Tropical wieder neben ihm erschien. „Ich habe die Dinger entfernt, aber die Maschinen weiterlaufen lassen. Das Abschalten könnte einen Alarm auslösen.“ Die Geisterkatze rieb sich die Nase, wich seinem Blick aus. „Sie sieht furchtbar aus.“
Lyon grub die Fingernägel in die Handflächen. Denk nach! Denk nach! Die Zeit lief ihnen davon. Da sie ihn auf telepathischem Weg vernahm, stand ihre Wandlung kurz bevor. Seine Lippen zitterten. Denk nach! „ Wer hat dir das ang e tan, Adina? Wer kam zu dir in die Zelle?“
Schweigen breitete sich aus, legte sich wie ein Gespinst aus Eis um seinen Brustkorb und zog sich zu. Nie hatte er sich hilfloser gefühlt. Er musste etwas unternehmen. Sie wäre nicht hier, hätte er sie beschützt. Ihm fiel nur eine Möglichkeit ein, sie zu retten. Gott, flehte er, lass sie nicht sterben. Nimm mich, nicht sie! Er zwang positive Energie und Zuversicht in seine Magie und ließ sie mental auf Adina übergleiten. Aber seine Kraft schien verbraucht, er war erschöpft. Er musste handeln. „ Adina, gib nicht auf!“ Ich brauche dich.
„Lyon?“
„Ja?“ Er biss sich vor Freude, ihre Stimme zu hören, auf die Lippe. Nur kein einziges Wort versäumen.
„Träume ich?“
„Nein, mein Engel, ich bin hier.“
„Hilfst du mir?“
„Ja! Sobald ich kann. Halte durch. Wer hat dich hier eingesperrt?“
„Eisblaue … alt, blond, kleiner …“
Das hauchzarte Krächzen erstarb. Es dämmerte Lyon.
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