Lyon - A.M.O.R. 01
mutterseelenallein durch die Flure des geheimsten Stützpunktes einer verfeindeten Vampirrasse, die Yadens Ansicht nach das Ziel verfolgte, die Amorphen auszurotten. Warum sollten ihre Sinne nicht auch langsam durchdrehen? Außerdem lechzte sie nach Yadens Blut, empfand schon Entzugserscheinungen, vom Durst ganz zu schweigen. Sie sehnte sich danach, ihn endlich wieder in die Arme schließen zu können. Gesund, mit dem süßen, leicht schrägen Lächeln im Gesicht, das sie von jetzt auf gleich wie Eis in der Sonne schmelzen ließ.
Der Magyc blieb stehen und deutete mit dem Kopf auf eine Wand. Golden schimmernd, wie könnte es anders sein, schließlich war es die magische Farbe der Magycen. Doch sie befanden sich nicht in den tiefer gelegenen Katakomben, dort, wo sie die endlosen Gänge mit den eingekerkerten Amorphen aufgespürt hatte.
Kay drehte den Mann ruckartig herum, schmierte ihm mit ihrem Messer sein eigenes Blut auf den Daumen und drückte ihn auf das Plättchen des Türmechanismus. Der Kerl schnaufte vor Schmerz wegen seiner verdrehten Gelenke. Das tat ihr leid, aber sie konnte keine Rücksicht nehmen.
Der Eingang glitt auf. Kays aufkommende Freude erstarrte abrupt, als sie Yaden in einer Art Aquarium treiben sah. Sie stieß den Wissenschaftler in den Raum, die Tür rauschte hinter ihnen zu und Kay presste ihre zitternden Handflächen an das Milchglas. Feine Schnüre zogen sich wie Goldfäden durch die wie Eis wirkenden Scheiben. Ein magisches, bezaubernd schönes wie gleichsam grausames Gefängnis. Yaden schwebte wie ein Ertrunkener mit hängendem Kopf und Gliedmaßen in dem Behälter. Seine Haut schimmerte fahl, Kanülen steckten wie Pfeile in seinen baumelnden Handgelenken, leiteten Flüssigkeit durch Schläuche. Rot. Mit vor Wut brennenden Augen wirbelte sie herum.
Der Schock traf sie unvorbereitet.
„Überrascht?“
Die Verwandlung seiner blauen Iris, die Veränderung seiner Mimik verstörte sie mehr als die Klinge in ihrer linken Brusthöhle, einen Zentimeter über dem oberen Mediastinum. Sie spürte, wie sich der Stahl brennend tiefer bohrte, hörte ein eigenartiges Zischen.
„Vergessen, deine Aura aufzubauen? Oder funktioniert es etwa nicht?“
Seine frostige Stimme kratzte ihr klirrend durch den Schädel. Ihre Lider zuckten wie ferngesteuert. Er stand so dicht vor ihr, als wollte er sie küssen. Sein feiges Auftreten, seine Unterwürfigkeit, seine Hilflosigkeit, verschwunden. Stattdessen beherrschte seine Aura den Raum, füllte ihn auf atemberaubende und erschreckende Weise mit Furcht einflößendem Respekt und gewaltiger Magie.
Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Kay probierte zum wiederholten Male, ihren Schild aufzubauen oder ihre Magie gegen ihn als Waffe einzusetzen, doch es gelang nicht, so sehr sie es versuchte. Auch ihre Heilungskräfte schienen sie im Stich zu lassen. Eine eisige Schmerzwelle rollte von ihrem Herzen aus durch ihren Körper bis in den letzten Winkel.
„Ihr seid maßlos überheblich“, sagte er mit ruhiger Stimme. „Denkt, allem und jedem überlegen zu sein, denkt, ihr seid unbesiegbar.“
Seine Lippen kräuselten sich zu einem verächtlichen Lächeln. Sie stand wie erstarrt, konnte ihn nur ansehen. Ein Kribbeln sauste ihr wie Kohlensäure durch die Adern. Panik schnürte ihr die Kehle zu, bis sie bemerkte, wie seine Hand ihr die Luftröhre zudrückte. Ihre Sicht verschwamm.
„Ich denke, es wird Zeit, meine Zelte hier abzubrechen.“
Kays Knie schlotterten. Ein Schweißfilm überzog sie eiskalt. Kein Muskel gehorchte ihr mehr. Ihr Puls stockte.
„Ihr beide begleitet mich doch, oder?“ Er lachte gehässig.
Eine Droge, ging es ihr durch den Kopf, kurz bevor er sie drehte, ihre Stirn auf das Milchglas donnerte und sie einen letzten Blick auf Yadens blaugrüne Augen erhaschte, die offen standen und unendliche Leere widerspiegelten.
Plötzlich sackte Aaron, der Lyon umklammerte und gierig von ihm trank, nieder und zog ihn mit sich. Sie polterten zu Boden. Lyon schlug hart auf und stöhnte durch den Knebel. Der Geruch von Betäubungsmittel lag in der Luft und jemand löste die straffe, magische Augenbinde. Lyon blinzelte, leicht benebelt von dem Biss an seinem Hals. Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden.
„Halt still, Lyon.“
Zymon entfernte die Fesseln, dann sah er ihm in die Augen. „Hast du dich beruhigt? Es musste so echt wie möglich aussehen, deshalb habe ich dich nicht in meinen ganzen Plan eingeweiht.“ Er
Weitere Kostenlose Bücher