Lyon - A.M.O.R. 01
Die Tür glitt leise zu, der Fahrstuhl setzte sich nach unten in Bewegung. Weshalb zum Teufel gingen sie nicht zu den Zellen? Verflucht, was hatte der Jäger vor? Außerdem zermarterte er sich das Gehirn, woher er die Stimme des Magycen kannte. Wieder vernahm er das zarte Brummen. Die beiden unterhielten sich wirklich. Und er sollte nicht wissen, worum es ging …
„Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, als meine Freiheit und das Ende meiner Schmerzen“, sagte Zymon auf einmal laut und seine Stimme klang fest und bestimmt, ohne einen Hauch von Unsicherheit. Sein Auftritt war überzeugend, er war ein Meister der Verstellung oder … er log nicht. Lyons Muskeln zuckten, sein Herz schmerzte. Er saß wie eine Maus in der Falle.
Falle?
Verdrängte Erinnerungen gelangten in sein Bewusstsein. Lyons Hirn vernahm das Gebrüll des Magycen, als wäre es gestern und nicht vor 467 Jahren gewesen:
Der neue König der Amorphen hat die Tochter unseres Monarchen ermordet. Ergreift ihn! Tötet ihn!
Jetzt wusste er, woher er die Stimme kannte.
Aaron Neff hatte die Bittgesuche um Friedensgespräche abgefangen.
Aaron stellte ihm 1545 die Falle in der Festung von Gaudor Tomac.
Aaron brachte Ellenja um. Sicher, weil sie ihm im Vertrauen von der geplanten, nächtlichen Unterredung mit ihrem Vater erzählte und um ihm, dem König des Feindes, den Mord in die Schuhe zu schieben.
Aaron erfand vermutlich die Chemikalie, die ihre Selbstheilung verhinderte.
Aaron war für den Tod seines Offiziers und Generals und weiterer Kämpfer und die Entstellung seines Gesichts verantwortlich.
Aaron ließ die verbliebenen 1.000 Amorphen unerbittlich einfangen und experimentierte seitdem ungehindert an ihnen herum.
Eine todtraurige und resignierende Ruhe überkam Lyon.
Zymon hatte ihn verraten, für seine Freiheit. Es würde ihm nur durch ein Wunder gelingen, Adina zu retten. Er wollte nicht länger warten, er musste Gewissheit haben. Wie sie vereinbart hatten, sollten die Handgelenkfesseln sprengbar sein. Sie mussten es einfach sein.
Lyon nahm seine Kraft und Magie zusammen, bündelte sie und spannte die Armmuskeln an. Die Anstrengung riss ihm ein Brüllen aus dem geknebelten Mund, das in der engen Kabine widerhallte. Die Spezialketten hielten. Er versuchte es erneut, hörte das dröhnende Lachen des Jägers. Lyon gebärdete sich wie ein Wahnsinniger, wand sich ungestüm, biss in den unter Strom stehenden Knebel. Aber was er auch versuchte, er hatte keinen Erfolg. Er war verloren und Adina mit ihm.
Sie verließen den Fahrstuhl und gingen einige Meter, bis sie stehen blieben.
„Öffne!“, sagte Zymon.
Eine hermetische Tür glitt auf und sie betraten einen Raum. Ein Schwall Erdbeerduft traf Lyon, doch im nächsten Moment riss ihn ein brutaler Kinnhaken von den Beinen. Er krachte an die Wand, brach zusammen und schlug durch die Ketten verrenkt auf dem Boden auf. Zymons schwerer Körper fiel auf ihn und nahm ihm Luft zum Atmen.
Adinas Duft, woher er auch kam, verlieh ihm Kraft. Er wälzte Zymons leblosen Körper von sich und rappelte sich auf. Er musste mit Aarons abgehacktem, blutverschmiertem Daumen nicht erst Adinas geheime, versteckte Zelle suchen und öffnen, sie war hier! Hände packten grob seine Schultern und zwangen ihn wie zur Exekution auf die Knie.
„Ihr könnt gehen“, befahl Aaron Neff kalt.
Zwei Magycen, sicher die Wächter, hatten sie überrascht und niedergestreckt und verließen jetzt den Raum. Die Tür schloss sich.
Aarons Griff war quälend und stahlhart. Lyon schnaufte vor unbändiger Wut, setzte sich unablässig zur Wehr. Er witterte, wie Aaron sich seinem Gesicht näherte. Panik durchzuckte ihn. Im selben Moment versenkten sich zwei Reißzähne tief in seiner Halsschlagader. Lyon brüllte, bis die natürliche Betäubung einsetzte.
Kay folgte dem Magycen, der sich immer wieder nervös umsah. Sie versteckten sich zweimal vor anderen Kittelträgern, die sie aber wahrscheinlich nicht einmal bemerkt hätten, trügen sie ein blinkendes Reklameschild und wären an ihnen vorübermarschiert, so vertieft waren sie in ihre Arbeit. Wie Kay von Yaden wusste, spürten nur Amorphen das Zwicken im Nacken, während die Magycen anderen Instinkten folgten, um zu wissen, ob Freund oder Feind vor ihnen stand. Das lästige Stechen im Genick traktierte sie, seitdem sie ins FAL eingedrungen war, dennoch piesackte sie zusätzlich das hartnäckige Gefühl von bevorstehender Gefahr. Nun, sie lief ja auch
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