Lyon - A.M.O.R. 01
schenken, stattdessen brachte er ihr Schmerz und Unsicherheit. „Egal, welcher Rasse man angehört, worum es im Leben geht, es gibt stets einen Preis zu zahlen. Vampire sind anders als Menschen, aber wir leben. Du wirst dich wandeln. Komm mit mir, du darfst kein Risiko eingehen.“
Adina rührte sich nicht. Die dumpfen Stimmen kamen näher. Die Befürchtung, sie könnte ihn nicht begleiten wollen, ihre Wege könnten sich nun trennen, weil dies ihrem Wunsch entsprach, wühlte sein Inneres auf wie ein jäher Blizzard. Er versuchte, sich seine Angst, sie zu verlieren, nicht anmerken zu lassen, ließ seinem Tonfall einen weichen, liebevollen Klang angedeihen. „Du kannst nicht allein bleiben.“
Endlich streckte sie den Rücken und sah ihm ins Gesicht. Ihre Musterung fuhr ihm durch Mark und Bein, vor allem, da er sah, wie sie seine Narben betrachtete, wie ihre noch getrübten Augen blitzten. „Eine Bedingung.“
Ein vages Lächeln stahl sich auf seinen Mund. Sie würde mit ihm kommen.
„Ich will wissen, was mit mir los ist, warum man uns angreift, wie unsere Vergangenheit und meine Zukunft aussehen.“
Lyon schloss die Lider. Die Antworten würden ihr alle nicht gefallen, weshalb er log, als er nickte, damit sie mit ihm kam, um ihr kostbares Leben schützen zu können.
7.9.2012 - Provinz Québec
P
rinz Tehlic schnupperte an dem Rand des Reagenzglases. Das geronnene Elixier roch kaum noch. Schade. Er leckte sich über die Lippen und drehte sich schwungvoll Aaron Neff zu. Die eisblauen Augen des FAL-Leiters leuchteten vor Aufregung. Kein Wunder. Es war das erste Blut eines Homo sapiens, der kurz vor seiner Verwandlung zum Todfeind stand, das sie seit Jahren in die Hände bekamen. Endlich eine Chance, sein Werk zu vollenden.
„Ein gängiger Kurier hat es dir also übergeben. Und der erhielt es von einem unter Menschen lebenden Prior?“
Aaron nickte, deutete eine Verneigung an. Der Wissenschaftler gierte danach, die Probe weiter zu untersuchen, gab sich jedoch so ergeben und beflissen wie immer. Doch er witterte Aarons perverse Ungeduld. Solange er dem Forscher in den Labors freie Hand ließ, konnte er verlangen, was er wollte. Aaron repräsentierte das FAL nach außen wie sein eigenes Reich und hatte ihn noch nie enttäuscht. Er leistete ausgezeichnete Arbeit, war unersetzlich auf seinem Gebiet, aber das würde er ihm niemals auf die Nase binden. Zuviel Abhängigkeit von einem Angestellten konnte tödlich sein. Er behielt eine harte Linie bei, so würden nie Zweifel aufkommen, wer hier der Chef war und wer nur die Befehle ausführte. „Der Geistliche ist von einem Amorphen angegriffen und verjagt worden?“
„So trug mein Kontakt es mir zu“, erwiderte Aaron.
Warum der Prior überlebt hatte, blieb ihm schleierhaft. „Setz Zymon-Ki auf sie an.“ Er hob das zylindrische Röhrchen mit dem Blut, damit keinerlei Missverständnisse auftraten.
Aaron versteifte sich in seiner unbequemen Haltung. „Der ist alt.“
„Erfahren“, donnerte Tehlic und schlug mit der Faust auf den langen Tisch. Reagenzgläser, Behälter und Werkzeuge sprangen in die Luft. „Oder willst du mich auch alt nennen? Zymon-Ki ist der erfahrenste Jäger, den wir in diesem Gebiet haben. Sieh zu, dass er eine ausreichende Probe erhält. Geh!“
Aaron huschte mit dem Reagenzglas davon. Tehlic lächelte. Der Kopfgeldjäger Zymon-Ki war die perfekte Wahl, denn er war wahrlich alt, spürte die ungenügende Ernährung in seinen spröden Knochen und konnte den Auftrag ums Verrecken nicht ablehnen. Jeder musste seine persönliche Motivation haben. Er würde ihm die Frau bringen.
Tehlic verließ das unterirdische Labor und begab sich in seine höher gelegenen, privaten Gemächer, die er sich im Foresight Analytic Lab hatte luxuriös herrichten lassen. In Windeseile entledigte er sich des Zweireihers und legte sich auf den Rücken. Er benötigte keine Uhr, um zu wissen, sie würden gleich erscheinen. Ungeduldig tippte er sich auf der Brust herum.
Ein vager Gedanke wühlte in seinem Unterbewusstsein, seit er das Blut der vor der Wandlung stehenden Frau gerochen hatte. Er bekam ihn nur nicht zu fassen. Es war etwas sehr weit Zurückliegendes … etwas Wichtiges … aber was nur?
Er runzelte die Stirn. Sein Denken schweifte ab ins Jahr 1250, als der Krieg ausbrach, als er seine Würde durch Marbell verlor, als er mit Aaron Neff den fähigsten Wissenschaftler einstellte, um unter anderem an den Schwächen der Amorphen zu forschen …
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