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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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vergingen langsam. Um Mitternacht hörte Twisk ein leises Geräusch: das Tapsen langsamer Schritte auf dem Weg. Die Schritte verstummten, und etwas, das durch die Dunkelheit sehen konnte, blieb stehen, um sie zu betrachten. Es näherte sich, und trotz ihres Elfenblickes vermochte Twisk nur die schwachen Umrisse einer großen Gestalt zu erkennen. Die Gestalt stand vor ihr und berührte sie mit kalten Fingern. Mit bebender Stimme fragte Twisk: »Herr? Wer seid Ihr? Darf ich Euren Namen erfahren?«
    Das Wesen gab keine Antwort. Zitternd vor Furcht streckte Twisk die Hand aus und fühlte den Stoff eines Gewandes, ähnlich einem Umhang, der auf die Berührung hin einen verwirrenden Geruch abgab.
    Das Wesen kam dicht an sie heran und nahm sie in kalter Umarmung, aus welcher sie halb bewußtlos entlassen wurde. Das Wesen verschwand, und Twisk fiel zu Boden, besudelt, aber frei.
    Sie rannte durch die Dunkelheit nach Thripsey Shee. Die Wolkendecke riß auf, die Sterne wiesen ihr den Weg, und so gelangte sie schließlich nach Hause.
    Dort säuberte sie sich, so gut sie konnte, dann begab sie sich in ihr grünes Samtgemach, um zu ruhen.
    Obgleich Elfen niemals ein Unrecht vergessen, sind sie doch äußerst widerstandsfähig gegen Unglück, und so verdrängte Twisk das Erlebnis rasch aus ihren Gedanken. Sie erinnerte sich erst wieder daran, als sie spürte, daß sie schwanger war.
    Nach angemessener Frist gebar sie ein rothaariges Mädchen, das schon aus seinem Weidenkorb, unter seiner Decke aus Eulendaunen, die Welt mit frühreifer Weisheit betrachtete.
    Wer – oder was – war der Vater? Die Ungewißheit bereitete Twisk quälendes Unbehagen, und sie hatte keine Freude an ihrem Kind. Eines Tages brachte Wynes, die Frau des Holzfällers, einen Knaben in den Wald mit. Ohne Zögern nahm Twisk den blonden Säugling und legte an seiner Statt das merkwürdig kluge Mädchen in den Korb.
    Auf diese Weise kam Dhrun, der Sohn von Aillas und Suldrun, nach Thripsey Shee, und so gelangte zu gegebener Zeit Madouc, deren Abstammung väterlicherseits im dunkeln lag, in den Palast Haidion.
     
    Elfenkinder sind oft mürrisch und boshaft. Dhrun, ein fröhliches Kind mit einem Dutzend reizende Züge, bezauberte die Elfen mit seinem liebenswerten Wesen ebenso wie mit seinen glänzenden blonden Locken, seinen dunkelblauen Augen und seinem stets wie zu einem Grinsen gespitzten Mündchen. Sie gaben ihm den Namen Tippit, herzten und küßten ihn und fütterten ihn mit Nüssen, Blumennektar und Brot, das sie aus Grassamenmehl buken.
    Elfen sind unleidlich und ungeduldig gegen Tolpatschigkeit; Dhruns Erziehung ging rasch voran. Er lernte Blumenkunde und die Gefühle der Kräuter. Er kletterte auf Bäume und erforschte die ganze Madling-Wiese, vom Grashügel bis zum Twankbow-Wasser. Er lernte die Sprache des Landes ebenso wie die Geheimsprache der Elfen, welche oft irrtümlich für Vogelgezwitscher gehalten wird.
    Die Zeit in einem Elfenhügel vergeht schnell, und ein Sternenjahr umfaßte in Dhruns Leben acht Jahre. Die erste Hälfte dieser Zeit war glücklich und unkompliziert. Als er ein Alter erreicht hatte, das bei den Menschen etwa einem Alter von fünf Jahren entsprochen hätte (solcherlei Festlegungen sind allerdings sehr ungenau), fragte er Twisk, für welche er Gefühle hegte wie etwa für eine freundliche, wenngleich ein wenig flatterhafte Schwester: »Warum kann ich nicht Flügel haben wie Digby und fliegen? Das ist etwas, das ich so gern tun würde.«
    Twisk, die im Gras saß und gerade einen Kranz aus Sumpfdotterblumen flocht, machte eine weitschweifige Geste. »Fliegen ist etwas für Elfenkinder. Du bist kein rechter Elf, aber du bist mein allerliebster kleiner Tippit, und ich werde dir diesen Kranz aus Dotterblumen ins Haar flechten, dann bist du ganz wunderschön, viel, viel schöner als Digby mit seinem verschlagenen Fuchsgesicht.«
    Dhrun blieb beharrlich. »Aber wenn ich kein rechter Elf bin, sag, was bin ich dann?«
    »Nun, du bist etwas ganz Großartiges, soviel ist sicher: vielleicht ein Prinz vom königlichen Hofe, und dein wahrer Name ist Dhrun.« Sie hatte diese Tatsache auf seltsame Weise erfahren. Neugierig, wie es ihrer rothaarigen Tochter ergehen mochte, hatte sie das Haus von Graithe und Wynes besucht und war dabei zufällig Zeuge der Ankunft von König Casmirs Abordnung geworden. Später hatte sie verborgen im Stroh gelegen und Wynes' herzzerreißende Klagen ob des verlorenen Kindes Dhrun gehört.
    Dhrun war von dieser

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