Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
verloren vor ... Aus weiter Ferne hörte er einen Vogel schlagen. Gespannt horchte er ... Es war nur ein Vogel, keine Elfenstimme. Dhrun erhob sich von seinem Lager und klopfte sich die Blätter von den Kleidern. Ganz in der Nähe fand er eine Stelle, die dicht mit Erdbeeren bewachsen war, und aß sich satt. Schon hob sich seine Stimmung wieder. Vielleicht war alles zu seinem Besten. Da er kein Elf war, mußte er nun wirklich seinen Weg in der Welt der Menschen machen. War er nicht immerhin der Sohn eines Prinzen und einer Prinzessin? Er brauchte nur seine Eltern zu finden, und alles würde gut sein.
Er betrachtete den Wald und grübelte. Gestern hatte er zweifellos die falsche Richtung eingeschlagen; welches aber war dann die richtige Richtung? Dhrun wußte wenig von dem Land, das den Wald umgab. Auch hatte er nicht gelernt, den Weg nach der Sonne zu bestimmen. Er ging einen leichten Hang hinunter, und wenig später gelangte er an einen Bach, an dessen Ufer die schwachen Spuren eines Pfades zu erkennen waren.
Dhrun blieb stehen, spähte und horchte. Pfade bedeuteten Verkehr. Im Wald konnte solcher Verkehr Unheil bedeuten. Klüger würde es sein, den Bach zu überqueren und durch den von Verkehr unberührten Wald weiterzuwandern. Andererseits jedoch mußte ein Pfad ja irgendwohin führen, und wenn er Vorsicht walten ließ, konnte er etwelcher Gefahr gewiß aus dem Weg gehen. Und schließlich: Wo war die Gefahr, mit der er es nicht aufnehmen und die er nicht besiegen konnte, mit der Hilfe seines Talismans und seines guten Schwertes Dassenach? Dhrun warf die Schultern zurück und schritt frisch auf dem Pfad aus, der, langsam nach Nordosten fallend, ihn immer tiefer in den Wald führte.
Er ging zwei Stunden. Dann stieß er auf eine Lichtung, die mit Pflaumen- und Aprikosenbäumen bepflanzt war. Sie waren seit langem verwildert.
Dhrun inspizierte die Lichtung. Sie schien ruhig und verlassen. Bienen summten zwischen Butterblumen, rotem Klee und Portulak. Es gab keinerlei Anzeichen, die auf irgendwelche Bewohner hindeuteten. Trotzdem hielt Dhrun sich zurück, abgeschreckt von einer ganzen Anzahl unterbewußter Alarmsignale. Er rief laut: »Wem immer diese Früchte gehören – bitte hört mich an. Ich bin hungrig, ich würde gern zehn Aprikosen und zehn Pflaumen pflücken. Darf ich das?«
Stille.
Dhrun rief: »Wenn niemand es mir verbietet, betrachte ich die Früchte als ein Geschenk, für welches ich mich bedanke.« Da hüpfte hinter einem Baum, keine dreißig Fuß entfernt, ein Troll hervor, mit einer schmalen Stirn und einer großen roten Nase, aus deren Löchern ein dichter, langer Bart sproß. Er trug ein Netz und eine hölzerne Mistgabel.
»Dieb! Ich verbiete dir, meine Früchte zu stehlen! Hättest du auch nur eine einzige Aprikose gepflückt, wäre dein Leben mein gewesen! Ich hätte dich gefangen und mit Aprikosen gemästet und an den Oger Arbogast verkauft! Für zehn Aprikosen und zehn Pflaumen verlange ich einen Kupferheller.«
»Ein stolzer Preis für Früchte, die sonst ungenutzt verfaulen«, versetzte Dhrun. »Ist mein Dank dir nicht Lohn genug?«
»Dank allein füllt den Topf nicht mit Rüben. Ein Kupferheller, oder du mußt dich am Gras satt essen.«
»Nun gut«, sagte Dhrun. Er nahm den Kupferheller aus seinem Beutel und warf ihn dem Troll zu, der zufrieden grunzte. »Zehn Aprikosen, zehn Pflaumen: nicht mehr! Und ich würde es als einen Akt der Unverschämtheit und der Gier ansehen, wenn du nur die schönsten auswähltest.«
Unter den strengen Blicken des Trolls pflückte Dhrun zehn Aprikosen und zehn Pflaumen. Als er die letzte Pflaume pflückte, schrie der Troll: »Keine mehr, und nun fort mit dir!«
Dhrun schlenderte gemächlich weiter und verzehrte die Früchte. Als er alle aufgegessen hatte, trank er Wasser aus dem Bach und setzte seinen Weg fort. Nachdem er eine halbe Meile gewandert war, blieb er stehen und klopfte gegen den Beutel. Er schaute hinein, und siehe da, der Kupferheller war zurückgekommen.
Der Bach weitete sich zu einem Teich, an dessen Ufer vier mächtige Eichen standen.
Dhrun rupfte ein paar junge Binsen aus der Erde und wusch ihre frischen weißen Wurzeln. Er fand Kresse und wilden Lattich und bereitete sich einen frischen, schmackhaften Salat. Gesättigt machte er sich wieder auf den Weg.
Der Bach mündete in einen Fluß. Dhrun konnte nicht weitergehen, ohne den einen oder anderen zu überqueren. Da bemerkte er eine zierliche hölzerne Brücke, die den Bach
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