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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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Arbogasts Haus Lebwohl und machten sich auf den Weg. Es war ein kühler Tag; der Wind trieb Hunderte von Wolken vom Atlantik her hoch über den Wald. Die Kinder schoben und zogen mit frischem Eifer, und der Karren holperte über die Ziegelstraße. Nerulf mußte schon die Beine in die Hand nehmen, um Schritt zu halten. Gegen Mittag legte die Gruppe eine Rast ein und stärkte sich an Brot, Fleisch und braunem Bier, dann ging es weiter nach Nordosten.
    Am späten Nachmittag mündete die Straße in eine Lichtung, die mit üppigem, fettem Gras überwuchert war. In ihrer Mitte standen ein paar verkrüppelte Apfelbäume. Direkt neben der Lichtung stand ein kleines, verfallenes Kloster, erbaut von christlichen Missionaren der ersten feurigen Bekehrungswelle. Zwar war das Dach eingefallen, aber zumindest bot das Gebäude einen gewissen Schutz. Die Kinder entfachten ein Feuer und bereiteten sich ein Mahl aus verdorrten Äpfeln, Brot und Käse, mit Kresse und Wasser von einem nahen Bach. Sie machten sich ein Lager aus Gras und legten sich zur Ruhe, rechtschaffen müde nach den Mühen des Tages. Alle waren glücklich und zuversichtlich, das Glück schien sich ihnen zugewandt zu haben.
    Die Nacht verstrich ohne Zwischenfälle. Am Morgen, als die Gruppe sich zum Aufbruch fertig machte, trat Nerulf gesenkten Hauptes und mit über der Brust verschränkten Händen vor Dhrun. »Herr Dhrun, erlaubt mir, Euch zu sagen, daß die Strafe, die Ihr mir auferlegt habt, wohlverdient und gerecht war. Wie vermessen und hochmütig ich war, sah ich erst ein, als ich dazu gezwungen wurde. Meine Schuld ist mir in aller Deutlichkeit klar geworden. Ich glaube, daß ich meine Lektion gelernt habe und nun ein neuer Mensch bin, anständig und ehrenhaft. Daher bitte ich Euch, gebt mir meine natürliche Gestalt zurück, auf daß ich mithelfen kann, den Karren zu schieben. Von dem Schatze will ich nichts, ich habe ihn nicht verdient. Aber ich möchte dazu beitragen, daß die anderen mit ihren Kostbarkeiten sicher ans Ziel gelangen. Wenn Ihr es für richtiger halten solltet, meiner Bitte nicht zu entsprechen, werde ich dafür volles Verständnis haben und keinen Groll gegen Euch hegen. Schließlich lag die Schuld allein bei mir. Doch ich bin zu Tode erschöpft davon, den ganzen Tag im Staub hinter dem Karren herzurennen, über Kiesel zu stolpern, ständig in Furcht, in eine Pfütze zu fallen und zu ertrinken. Wie ist Eure Antwort, Herr Dhrun?«
    Dhrun hatte ihm ohne Anteilnahme zugehört. »Warte, bis wir bewohntes, sicheres Gebiet erreicht haben, dann will ich dir deine ursprüngliche Größe zurückgeben.«
    »Ah, Herr Dhrun, Ihr traut mir nicht?« schrie Nerulf. »In diesem Fall laßt uns hier und jetzt auseinandergehen, denn einen weiteren Tag wie den gestrigen überstehe ich nicht. Folgt weiter der Straße zum großen Murmeil, und haltet Euch an seinem Ufer, bis Ihr die Türme von Gehadion erreicht. Viel Glück euch allen! Ich marschiere allein weiter, so schnell, wie meine kurzen Beine es zulassen.« Nerulf wischte sich mit einem schmutzigen Knöchel das Auge. »Wenn ihr irgendwann einmal in euren feinen Kleidern über einen Jahrmarkt bummelt und zufällig ein kleines Männlein seht, das auf einer Trommel spielt oder lächerliche Possen zum besten gibt, dann werft dem armen Kerl einen Heller zu, denn es könnte euer alter Gefährte Nerulf sein – natürlich nur, falls es mir glükken sollte, den Bestien von Tantrevalles unbeschadet zu entkommen.«
    Dhrun überlegte lange. »Du empfindest wahrhaft echte Reue ob deines früheren Verhaltens?«
    »Ich verachte mich!« schrie Nerulf. »Ich blicke mit tiefer Geringschätzung auf den alten Nerulf herab!«
    »Wenn das so ist, dann besteht kein Grund, deine Strafe zu verlängern.« Dhrun gab einen Tropfen aus der grünen Flasche in einen Becher Wasser. »Trink dies, nimm deine frühere Gestalt wieder an, werde uns ein guter Kamerad, und es soll dein Schaden nicht sein.«
    »Ich danke Euch, Herr Dhrun!« Nerulf leerte den Becher und dehnte sich wieder zu seiner alten, stämmigen Statur. Schnell wie der Blitz war er über Dhrun, warf ihn zu Boden, entriß ihm das Schwert Dassenach und schob es hinter seinem eigenen Gürtel. Dann nahm er die grüne Flasche und die schwarze Flasche und schmetterte sie gegen einen Stein, so daß sie in tausend Stücke brachen und ihr Inhalt verloren war. »Jetzt ist Schluß mit diesen Torheiten«, erklärte Nerulf. »Ich bin der Größte und Stärkste, und nun bin ich wieder an der

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