Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
schmerzten und die Beine ihnen den Dienst versagten. Ermattet ließen sie sich in das hohe Gras am Wegesrand fallen, um sich auszuruhen.
Einen Moment später warf sich ein weiterer Flüchtling erschöpft neben ihnen ins Gras: Nerulf.
Dhrun seufzte. »Sieben Jahre Pech! Wird es immer so schlimm sein?«
»Schluß mit diesen Frechheiten!« zischte Nerulf. »Ich habe noch immer das Sagen, falls ihr das vergessen haben solltet. Und nun steh auf!«
»Warum? Ich bin ermattet.«
»Egal. Mein großer Schatz ist verloren, aber es ist immer noch möglich, daß du ein paar Juwelen an deinem Körper versteckt hast. Auf die Beine! Du auch, Glyneth!«
Dhrun und Glyneth erhoben sich langsam. In Dhruns Tasche entdeckte Nerulf den alten Beutel und leerte ihn in seine Hand. Er stieß ein angewidertes Grunzen aus. »Eine Krone, ein Dukaten, ein Heller. Nun, immer noch besser als gar nichts.« Er warf den alten Beutel auf die Erde. Mit gelassener Würde hob Dhrun ihn auf und steckte ihn wieder in seine Tasche.
Nun durchsuchte Nerulf Glyneth, wobei er seine Hände langsam tastend über die Rundungen ihres frischen Jungmädchenkörpers gleiten ließ. Aber er fand keine Wertsachen. »Gehen wir noch ein Stück, vielleicht finden wir Obdach für die Nacht.«
Die drei wanderten die Straße entlang. Hin und wieder warfen sie einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob die Verfolger vielleicht hinter ihnen auftauchten. Aber von diesen war keine Spur zu entdecken. Der Wald wurde immer dichter und dunkler. Trotz ihrer Erschöpfung schritten die drei wacker aus, und bald kamen sie wieder in offenes Land, das sich am Rande der Marsch erstreckte.
Die hinter den Hügeln versinkende Sonne schien auf die Unterseite der Wolken, die über den See dahintrieben. Sie tauchten die Marsch in ein unwirkliches, düster-goldenes Licht.
Nerulf gewahrte ein kleines Vorgebirge, eine Insel fast, das gut fünfzig Ellen in die Marsch hineinragte. An seiner höchsten Stelle stand eine Trauerweide. Nerulf warf Dhrun einen drohenden Blick zu. »Glyneth und ich werden die Nacht hier verbringen«, kündigte er an. »Du gehst weiter, und zwar sofort, und kommst nie mehr zurück. Du kannst dich noch glücklich schätzen, daß ich dich so laufenlasse. Schließlich bist du es, dem ich meine Prügel zu verdanken habe. Geh!« Mit diesen Worten ging er zum Rande des Sumpfes und begann, mit Dhruns Schwert Binsen für ein Nachtlager zu schneiden. Dhrun ging ein paar Schritte, dann blieb er stehen, um nachzudenken. Er konnte Dassenach jederzeit in seine Hand zurückfliegen lassen, aber viel nützte ihm das jetzt nicht. Nerulf konnte weglaufen und sich eine Waffe suchen, einen großen Stein, einen Knüppel – oder er konnte sich ganz einfach hinter einem Baum verstekken und Dhrun aus dem Hinterhalt überfallen. In allen Fällen konnte er mit seiner Größe und Kraft Dhrun jederzeit überwältigen und töten, wenn ihm der Sinn danach stand.
Als Nerulf von seiner Arbeit aufschaute, sah er Dhrun und schrie: »Habe ich dir nicht befohlen zu gehen?« Er rannte mit drohender Gebärde ein paar Schritte in Dhruns Richtung. Dieser zog sich schnell in den dichten Wald zurück. Er fand einen abgestorbenen Ast und brach ihn sich zu einem kräftigen, vier Fuß langen Knüppel zurecht. Dann ging er wieder zum Sumpf zurück.
Nerulf war ein wenig hinausgewatet, wo das Schilf dichter und saftiger wuchs. Dhrun gab Glyneth ein Zeichen. Sie rannte zu ihm, und Dhrun gab ihr rasch ein paar Instruktionen.
Nerulf schaute auf und sah die zwei beieinanderstehen. Er rief Dhrun zu: »Was tust du hier? Ich hatte dir befohlen, zu gehen und niemals wiederzukommen! Du hast meinen Befehl mißachtet, damit hast du dein Todesurteil gesprochen!«
Glyneth sah, wie etwas hinter Nerulf aus dem Sumpf stieg. Sie schrie auf und zeigte mit dem Finger darauf.
Nerulf stieß ein verächtliches Lachen aus. »Glaubt ihr, ihr könntet mich mit diesem alten Trick hereinlegen? Ich bin ein wenig klü...« Er spürte einen sanften Druck auf seinem Arm, und als er hinunterblickte, sah er eine langfingrige graue Hand mit knotigen Knöcheln und feuchtkalter Haut. Nerulf erstarrte. Dann, wie unter einem seltsamen Zwang, drehte er sich um und sah sich einem Hezeptor gegenüber. Er stieß einen erstickten Schrei aus, und im Rückwärtstaumeln schwang er das Schwert Dassenach, mit dem er eben noch Schilf geschnitten hatte.
Dhrun und Glyneth flohen vom Seeufer zurück auf die Straße. Dort blieben sie stehen und blickten
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