Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
stoben rote Funken den Kamin hinauf.
Die Flammen züngelten hoch und spiegelten sich in den funkelnden Augen Glyneths, die ebenfalls wach saß. Sie stand auf und gesellte sich zu Dhrun. Die zwei saßen sich gegenüber, die Arme um die Knie geschlungen, und schauten in die Flammen. Glyneth sprach in heiserem Flüsterton: »Keiner hat es für nötig befunden, dir dafür zu danken, daß du uns das Leben gerettet hast. Dies will ich nun tun. Danke, lieber Dhrun, du bist hilfsbereit und freundlich und bemerkenswert tapfer.«
Dhrun antwortete mit sehnsuchtsvoller Stimme: »Ich hoffe hilfsbereit und freundlich zu sein, bin ich doch der Sohn eines Prinzen und einer Prinzessin, doch was die Tapferkeit angeht, so kann ich diese Eigenschaft beim besten Willen nicht für mich in Anspruch nehmen.«
»Purer Unsinn! Nur eine Person von großem Wagemut kann eine Tat vollbringen, wie du sie vollbracht hast.«
Dhrun lachte bitter. Er berührte seinen Talisman. »Die Elfen wußten um meine Furchtsamkeit und schenkten mir deshalb dieses Amulett, welches gegen Furcht schützt. Ohne es hätte ich die Rettung niemals wagen können.«
»Dessen bin ich gar nicht sicher«, versetzte Glyneth. »Amulett oder nicht, für mich bist du sehr tapfer.«
»Es tut gut, das zu hören«, sagte Dhrun traurig. »Ich wünschte, es wäre so.«
»All dies einmal beiseite, wie kommt es, daß die Elfen dir ein solches Geschenk, oder überhaupt ein Geschenk, gemacht haben? Normalerweise sind sie nicht so freigebig.«
»Ich habe mein ganzes Leben bei den Elfen von Thripsey Shee auf der Madling-Wiese verbracht. Vor drei Tagen stießen sie mich aus. Viele von ihnen liebten mich jedoch und machten mir Geschenke. Einer aber wünschte mir Schlechtes und verleitete mich durch eine List, mich umzublicken, wodurch ich sieben Jahre Pech auf mich lud.«
Glyneth nahm Dhruns Hand und hielt sie an ihre Wange. »Wie konnten sie so grausam sein?«
»Es war strenggenommen die Schuld Falaels, der für derlei üble Streiche lebt. Und du? Warum bist du hier?«
Glyneth schaute ins Feuer und lächelte kummervoll. »Das ist eine traurige Geschichte. Bist du sicher, daß du sie hören willst?«
»Wenn du sie erzählen möchtest.«
»Ich will die schlimmsten Stellen weglassen. Ich lebte in Nord-Ulfland, in der Stadt Throckshaw. Mein Vater war ein Junker. Wir wohnten in einem schönen Haus mit Glasfenstern und Federbetten und einem Teppich auf dem Boden des Salons. Zum Frühstück gab es Eier und Brei, gebratene Hühnchen und Würste zum Mittagsmahl, und zum Abendessen eine gute Suppe, dazu grünen Salat.
Graf Julk regierte das Land von seiner Burg Sfeg. Er lag im Krieg mit den Ska, die schon das Vorland besiedelt hatten. Südlich von Throckshaw ist Poëlitetz, ein Paß durch den Teach tac Teach nach Dahaut, nach welchem es die Ska gelüstet. Immer wieder bedrängten uns die Ska, und immer wieder schlug Graf Julk sie zurück. Eines Tages überfielen hundert Ska-Ritter auf schwarzen Pferden Throckshaw. Die Männer der Stadt erhoben die Waffen und trieben sie zurück. Eine Woche später kam ein Heer von fünfhundert Ska auf schwarzen Pferden vom Vorland heran und zerstörte Throckshaw. Sie töteten meinen Vater und meine Mutter und legten unser Haus in Schutt und Asche. Ich hielt mich mit meiner Katze Pettis unter dem Heu versteckt und mußte zusehen, wie sie hin und her sprengten und wie Dämonen schrien. Julk kam mit seinen Rittern, aber die Ska töteten auch ihn, eroberten das Land und vielleicht auch Poëlitetz.
Als die Ska Throckshaw verließen, nahm ich ein paar Silbermünzen und rannte mit Pettis fort. Zweimal wäre ich um ein Haar von Vagabunden ergriffen worden. Eines Nachts suchte ich Zuflucht in einer alten Scheune. Da kam ein großer Hund bellend auf mich zugerannt. Statt davonzulaufen, griff meine tapfere kleine Pettis die Bestie an und wurde zerfleischt. Als der Bauer kam, um nachzuschauen, was geschehen war, entdeckte er mich. Er und seine Frau waren gute Menschen und nahmen mich bei sich auf. Ich war fast glücklich, obwohl ich hart arbeiten mußte, beim Buttermachen wie auch beim Dreschen. Doch einer der Söhne begann mich zu belästigen und mir nachzustellen. Aus Furcht, er könnte mir auflauern, wagte ich nicht mehr, allein den Weg zur Scheune zu gehen. Eines Tages kam eine Prozession vorbeigezogen. Sie nannten sich
Hinterbliebene des Alten Gomar
19 und waren auf Pilgerfahrt zu einer Feier in Godwyne Foiry, den Ruinen des Kapitols des alten Gomar, die sich
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