Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
das Edikt verstoßen? Niemals. Bist du nicht das Geschöpf Desmëis? Bist du nicht im Besitz von magischem Gerät? Dadurch bist du selbst in den Stand eines Magiers erhoben.«
»Aber das magische Gerät ist in einem Rätsel eingeschlossen! Es ist wertlos! Das reicht nicht aus, um Murgen zu überzeugen. Und schließlich und endlich habe ich das Gerät Shimrod gestohlen, was als Provokation eines Magiers gegen einen anderen gewertet werden muß.«
Tamurello kicherte. »Schön und gut. Doch bedenke, zu dem Zeitpunkt besaßest du noch kein magisches Werkzeug und warst somit Laie.«
»Das Argument scheint mir sehr an den Haaren herbeigezogen.«
»Es ist logisch, nicht mehr, nicht weniger.«
Carfilhiots Zweifel waren nicht ausgeräumt. »Ich habe seine Kinder verschleppt. Auch das könnte mir als ›Provokation‹ ausgelegt werden.«
Tamurellos Entgegnung klang selbst durch den Mund des Sandestins ziemlich trocken. »Dann gib Shimrod seine Kinder und sein Eigentum zurück.«
Kühl erwiderte Carfilhiot: »Ich betrachte die Kinder als Unterpfand für meine eigene Sicherheit. Und was die magischen Apparate betrifft: Wäre dir lieber, daß ich sie im Verein mit dir benutze, oder daß Shimrod sie zur Unterstützung Murgens einsetzt? Erinnere dich, das war unser ursprünglicher Plan.«
Tamurello seufzte. »Damit ist das Dilemma auf seine nackteste Essenz reduziert«, gab er zu. »Auf dieser Grundlage, wenn überhaupt, werde ich dir Hilfestellung leisten. Doch sei dir noch einmal dringend zu Bewußtsein geführt, unter keinen Umständen darf dabei den Kindern auch nur ein Haar gekrümmt werden, da sonst der Lauf der Ereignisse mich am Ende unweigerlich mit Murgens Zorn konfrontieren würde.« Carfilhiot erwiderte in seinem gewohnten leichtfertigen Ton: »Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß du ihre Bedeutung übertreibst.«
»Trotzdem mußt du gehorchen!«
Carfilhiot zuckte die Achseln. »Na schön, ich laß dir deine Grillen.«
Der Sandestin gab Tamurellos nervöses Lachen naturgetreu wieder. »Nenne sie, wie du willst.«
31
Bei Anbruch des Tages brach die ulfische Armee, noch immer ein bunt zusammengewürfelter, sich untereinander mißtrauisch beäugender Haufen, das Lager ab und sammelte sich auf der Wiese vor Burg Cleddstein: zweitausend Ritter und berittene und voll bewaffnete Soldaten. Dortselbst wurden sie von Sir Fentaral von Grauburg, der unter allen Baronen das höchste Ansehen genoß, zu einer zusammenhängenden Streitmacht geformt. Dann setzte sich die Armee über das Moor in Marsch. Am Abend des darauffolgenden Tages besetzte sie den Bergkamm oberhalb von Tintzin Fyral, von dem weiland die Ska ihren Angriffsversuch unternommen hatten.
Inzwischen marschierte die troicische Armee das Tal hinauf, von den Bewohnern nur mit gleichgültigen Blicken bedacht. Das Tal schien fast unheimlich in seiner Stille.
Spät am Tage erreichte das Heer das Dorf Sarquin, schon in Sichtweite von Tintzin Fyral. Auf Aillas' Geheiß kamen die Dorfältesten zu einer Besprechung zusammen. Aillas stellte sich vor und erläuterte seine Ziele. »Und nun möchte ich Tatsachen geklärt wissen. Sprecht frei und offen, ihr habt nichts zu befürchten. Seid ihr Gegner Carfilhiots, neutral, oder unterstützt ihr ihn?«
Die Dorfältesten murmelten untereinander und blickten über die Schulter hinauf zu Tintzin Fyral. Einer sagte: »Carfilhiot ist ein Hexer. Es ist am besten, wenn wir in der Sache keinen Standpunkt beziehen. Ihr könnt uns, so wir uns euer Mißfallen zuziehen, den Kopf abhacken; Carfilhiot kann mit uns noch Schlimmeres anstellen, wenn ihr fort seid.«
Aillas lachte. »Ihr überseht den Grund meiner Anwesenheit. Wenn wir abziehen, wird Carfilhiot ein toter Mann sein.«
»Ja, ja, das haben andere auch schon gesagt. Sie sind fort, aber Carfilhiot ist noch immer da und am Leben. Selbst die Ska vermochten ihm nichts anzuhaben.«
»Ich kann mich an den Fall gut erinnern«, sagte Aillas. »Die Ska zogen seinerzeit ab, weil eine Armee anrückte.«
»Das stimmt, Carfilhiot mobilisierte das Tal gegen sie. Uns ist Carfilhiot als das bekannte, wiewohl sprunghafte Übel lieber als die Ska, die gründlicher sind.«
»Diesmal gibt es keine Armee, die Carfilhiot zu Hilfe kommen könnte. Weder von Norden noch von Süden, Osten oder Westen kann er Entsatz erhoffen.«
Wieder berieten die Dorfältesten sich murmelnd. Dann: »Nehmen wir einmal an, Carfilhiot fällt. Was dann?«
»Ihr werdet eine gerechte und unparteiische
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