Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
Beziehungen sind bestenfalls förmlich-höflich zu nennen.«
»Besseres könntest du dir gar nicht wünschen! Könige neigen wie Kinder dazu, opportunistisch zu sein. Großzügigkeit verdirbt sie bloß. Sie legen Güte als Schwäche aus und gehen sofort daran, sie auszunutzen.«
»Casmirs Naturell ist alles andere als angenehm. Er ist so kalt wie ein Fisch. Spontan habe ich ihn nur hier in meinem Arbeitszimmer erlebt. Er interessiert sich für die Magie und hat in dieser Richtung Ambitionen.«
»Für Casmir ein fruchtloses Bemühen. Es gebricht ihm an der nötigen Geduld, und in diesem Punkt ist er ganz so wie du.«
»Vielleicht. Ich brenne darauf, zu den ersten Extensionen voranzuschreiten.«
»Die Situation ist dieselbe wie bisher. Das Feld der Analogien muß dir zur zweiten Natur werden. Wie lange kannst du ein Bild in deinem Geist fixieren und dann seine Farben nach deinem Willen verändern, unter Beibehaltung fixer Gesichtszüge?«
»Ich bin noch kein Meister.«
»Diese Bilder sollten hart wie Fels sein. Beim Erfassen einer Landschaft mußt du in der Lage sein, die Blätter an einem Baum zu zählen, und beim Nachzählen mußt du auf dieselbe Zahl kommen.«
»Das ist eine schwierige Übung. Warum kann ich nicht einfach mit den Apparaten arbeiten?«
»Aha! Und wie willst du diese Apparate erlangen? Bei all meiner Liebe zu dir, aber ich kann mich von keinem meiner schwer erworbenen Geräte trennen.«
»Man kann doch aber jederzeit neue Apparaturen ersinnen.«
»So? Ich würde mich freuen, dieses hermetische und dunkle Geheimnis zu erfahren.«
»Aber du gibst zu, daß es möglich ist.«
»Möglich schon, aber schwierig. Die Sandestinssind weder im Übermaß vorhanden noch – wie einst
– unschuldig und entgegenkommend ... Eh! Ha!« Das war ein plötzlicher Ausruf. Tamurellos Stimme nahm jetzt einen anderen Klang an. »Mir ist gerade ein Gedanke gekommen. Es ist ein so schöner Gedanke, daß ich ihn kaum zu denken wage.«
»Sage mir den Gedanken.«
Tamurellos Schweigen war das eines Mannes, der in eine komplizierte Kalkulation vertieft ist. Schließlich sagte er: »Es ist ein gefährlicher Gedanke. Eigentlich darf ich einen solchen Gedanken nicht einmal
äußern, geschweige denn verfechten!«
»Sag mir den Gedanken!«
»Es bedarf so vieler Dinge, ihn in die Tat umzusetzen!«
»So muß es in der Tat ein gefährlicher Gedanke sein.«
»Allerdings. Laß uns zu ungefährlicheren Themen schreiten. Ich könnte vielleicht noch diese eine boshafte Bemerkung machen: Eine Möglichkeit, magische Apparate in seinen Besitz zu bringen, ist, unverblümt gesprochen, die, einen anderen Magier zu berauben. Dieser wird durch den Raub vielleicht so geschwächt sein, daß er außerstande ist, sich für die Tat zu rächen – besonders dann, wenn er den, der sie begangen, nicht kennt.«
»So weit kann ich dir folgen. Was dann?«
»Angenommen, jemand wollte einen Magier berauben, wen würde er sich als Opfer aussuchen? Murgen? Mich? Baibalides? Niemals. Die Folgen wären gewiß jäh und schrecklich. Er würde sich also einen Anfänger wählen, einen, der noch unerfahren ist und frisch in seiner Kunst, und der dazu wohl ausgestattet ist mit Apparaten, so daß der Diebstahl sich lohnt. Auch sollte das Opfer eines sein, in dem er einen zukünftigen Feind sieht. Die Zeit, diese Person zu schwächen oder gar zu vernichten, ist jetzt! Ich spreche natürlich rein hypothetisch.«
»Zum Zwecke der Anschaulichmachung, und natürlich ebenfalls rein hypothetisch gesprochen, wer könnte eine solche Person sein?«
Tamurello konnte sich nicht dazu durchringen, einen Namen zu nennen. »Selbst hypothetische Möglichkeiten bedürfen der Untersuchung auf mehreren Schichten und Ebenen, und ganze Bereiche von Duplizitäten müssen organisiert werden. Wir werden später weiter darüber sprechen. Und nicht ein Sterbenswörtchen zu irgend jemandem!«
13
Shimrod, der Sproß von Murgen, dem Magier, zeigte schon früh eine innere Regung außerordentlicher Stärke, und zu gehöriger Zeit löste er sich aus Murgens Machtbereich und strebte nach Selbständigkeit.
Die zwei wiesen keine augenfällige Ähnlichkeit auf, es sei denn bezüglich ihrer Fähigkeiten, ihres Geschicks und einer gewissen Maßlosigkeit der Phantasie, welche sich bei Shimrod als grotesker Humor und eine manchmal schmerzhafte Empfindsamkeit für Gefühle äußerte.
In ihrer äußeren Erscheinung ähnelten sich die zwei noch weniger. Murgen zeigte sich als ein
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