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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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starker, weißhaariger Mann von unbestimmbarem Alter. Shimrod hatte das Aussehen eines jungen Mannes mit einem fast treuherzigen Gesichtsausdruck. Er war schlank, langbeinig, mit sandfarbenem Haar und haselnußbraunen Augen. Sein Kinn war lang, seine Wangen ein wenig hohl, sein Mund breit und etwas schief, als ginge ihm gerade ein spöttischer Gedanke durch den Kopf.
    Nach einer Weile des unsteten Wanderns ließ sich Shimrod in Trilda nieder, einem Haus auf der Wiese von Lally, im Wald von Tantrevalles, das vormals von Murgen bewohnt worden war, und widmete sich daselbst dem ernsthaften Studium der Magie. Sein Grundstock dafür waren die Bücher, Formeln, Apparate und Gerätschaften, die Murgen ihm in seine Obhut gegeben hatte.
    Trilda war der passende Ort für intensives Studieren. Die Luft roch nach frischem Grün. Tags schien die Sonne, des Nachts der Mond und die Sterne. Die Einsamkeit war nahezu ungestört, normale Menschen wagten sich nur selten so tief in den Wald. Trilda war einst von Hilario gebaut worden, einem unbedeutenderen Zauberer von recht kuriosem Geschmack. Die Räume waren verwinkelt und mit Erkerfenstern von mannigfaltiger Form und Größe versehen, durch die sich ein prächtiger Ausblick auf die Wiese von Lally bot. Das steil aufragende Dach mit seinen sechs Schornsteinen zergliederte sich in ein verspieltes Gebilde aus zahllosen Fensterchen, Giebeln und Firsten, und auf der höchsten Spitze saß ein eiserner Wetterhahn, der gleichzeitig als Geistervertreiber diente.
    Murgen hatte den Bach zu einem Teich aufgestaut.Der Überlauf trieb ein Mühlrad neben dem Arbeitszimmer an, welches seinerseits die Antriebskraft für ein Dutzend Maschinen lieferte, unter anderem für eine Drehbank und einen Blasebalg für das Feuer.
    Hin und wieder tauchten Halblinge am Waldrand auf, um Shimrod zu beobachten, wenn er auf die Wiese kam, aber ansonsten gingen sie ihm aus Furcht vor seiner Magie aus dem Weg.
    Die Jahreszeiten vergingen, der Herbst wurde zum Winter. Schneeflocken rieselten vom Himmel und hüllten die Wiese in stilles Weiß. Shimrod saß am knisternden Feuer und studierte Balberrys
Abstracta et Excerpta
, ein gewaltiges Kompendium von Übungen, Methoden, Systemen und Formeln, geschrieben in antiken oder gar imaginären Sprachen. Mit Hilfe einer aus dem Auge eines Sandestins gefertigten Linse las Shimrod diese Schriften, als wären sie in klarer, schlichter Sprache geschrieben.
    Seine Mahlzeiten nahm Shimrod auf einem Tischlein-deck-Dich ein, welches, sobald er es über den Tisch breitete, die köstlichsten Speisen hervorzauberte. Zu seiner Kurzweil brachte er sich das Laute-spielen bei, eine Kunst, die von den Elfen von Tuddifot Shee am anderen Ende der Lally-Wiese geschätzt wurde. Letztere liebten Musik, wenn auch ohne Zweifel aus den falschen Gründen. Elfen fertigten Bratschen, Gitarren und Flöten von feiner Qualität, aber ihre Musik war bestenfalls von klagender, undisziplinierter Süße, wie der Klang ferner Windharfen. Schlimmstenfalls produzierten sie eine greuliche Kakophonie aus unzusammenhängenden Kreischtönen, die sie nicht von ihren besten unterscheiden konnten. Überdies waren sie schrecklich eitel. Elfenmusikanten, die entdeckten, daß ein zufällig des Weges kommender Mensch sie gehört hatte, fragten diesen unweigerlich, wie ihm ihre Musik gefallen habe, und wehe dem taktlosen Flegel, der es wagte, seine Meinung zu sagen: Der Unglückselige mußte für die Dauer von einer Woche, einem Tag, einer Stunde, einer Minute und einer Sekunde ohne Unterbrechung zu ihrer Musik tanzen. Erklärte er jedoch, er sei entzückt, dann konnte es passieren, daß er von dem eitlen Halbling reich belohnt wurde. Oft, wenn Shimrod auf seiner Laute spielte, sah er Elfenwesen, große und kleine 17 , auf dem Zaun sitzen, in grüne Mäntel gehüllt, mit roten Halstüchern und Zipfelmützen. Wenn er ihre Anwesenheit freundlich tolerierte, dankten sie mit übertriebenem Beifall und baten ihn, ihnen weiter vorzuspielen. Zu bestimmten Anlässen fragten ihn Elfen-Hornspieler, ob sie ihn begleiten dürften, doch Shimrod lehnte jedesmal höflich ab. Ließ er sich nämlich auf solch ein Duett ein, dann konnte es ihm durchaus widerfahren, daß er in alle Ewigkeit weiterspielen mußte: bei Tag, bei Nacht, auf der Wiese, in den Baumwipfeln, hoppla-hopp über Stock und Stein, in Dickicht und Strauch, auf dem Moor und unter der Erde in den Shees. 18 Das Geheimnis, so wußte Shimrod, war, niemals die Bedingungen der

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