Lyonesse 2 - Die grüne Perle
übertrieben hatte. Die Leute sind in den Stand von Landadligen erhoben worden und leben in Luxus, mit Dienstboten, die den Herd scheuern und den Hauseingang kehren. Ehirme ist nunmehr ›Dame Ehirme‹, und ihr Gespons heißt sich ›Junker Dicken‹. Ihre Eltern sind ›Seine Exzellenz Graithe und Dame Wynes‹. In ihren Fenstern blitzt klares Glas, und ihre Dächer zieren vier Kamine, und Würste sonder Zahl hängen unter den Decken ihrer Küchen.«
»Das ist fürwahr ein außergewöhnlicher Aufstieg«, bestätigte König Casmir. »Fahrt fort, allerdings ein wenig dichter und gedrängter in Eurer Schilderung, sonst sitzen wir hier noch in Monatsfrist und sind doch noch immer nicht fertig.«
»Eure Majestät, ich werde mich kurz fassen, ja knapp! Nachforschungen im Ort erbrachten nichts, was für uns von Interesse wäre, also beschloß ich, meine Fragen direkt an Dame Ehirme zu richten. Hier stieß ich indes auf Schwierigkeiten, vermag sie doch nicht mit Klarheit zu sprechen.«
»Ich ließ ihr die Zunge herausschneiden«, erläuterte König Casmir.
»Das ist die Erklärung! Ihr Gatte ist griesgrämig und so sparsam mit Worten wie ein toter Fisch, und so trug ich meine Fragen Graithe und Wynes vor, wo ich ebenfalls auf tiefe Verschlossenheit stieß. Doch nun war ich gewappnet und schenkte ihnen in der Maske eines Weinhändlers einen Trunk ein, der sie gefügig machte, und sie plapperten alles heraus, was sie wußten.« Vishbume legte den Kopf schief und gedachte mit breitem Grinsen dieses genialen Kunstgriffs.
König Casmir wartete geduldig und kommentarlos, bis Vishbume endlich seine Erkenntnisse preisgab.
»Ah, welch ein Triumph!« erklärte er zuvor, die Spannung des Monarchen weiter zu erhöhen. »Und nun hört diese Nachricht! Das Kind, das ursprünglich zu Graithe und Wynes gebracht ward, war ein Knabe! Als sie den Korb eines Tages in den Wald trugen, nahmen die Elfen von Thripsey Shee den Knaben und ließen an seiner Statt ein Mädchen zurück. Der Wechselbalg ist die Prinzessin Madouc!«
König Casmir schloß die Augen und hielt sie für zehn Sekunden geschlossen, bekundete aber ansonsten keine Gefühlsregung, und als er schließlich sprach, war seine Stimme ruhig wie immer. »Und der Knabe? Was wurde aus ihm?«
»Sie sahen ihn danach nie wieder, weder aus der Nähe noch aus der Ferne.«
König Casmir sprach mit leiser Stimme, wie allein für die eigenen Ohren bestimmt: »Persilian sprach Wahres, mehr als ich hätte ahnen können!«
Vishbume setzte eine weise, verständnisinnige Miene auf, so wie es sich für des Königs vertrauten Ratgeber geziemen mochte. König Casmir musterte ihn geraume Zeit, ehe er in mildestem Tone frug: »Mit wem habt Ihr über diese Angelegenheit gesprochen? Mit Tamurello?«
»Mit niemandem außer Euch selbst, Herr!«
»Ihr habt Eure Sache gut gemacht.«
Vishbume sprang auf. »Ich danke Euch, Majestät! Welches wird mein Lohn sein? Ich hoffe auf ein feines Anwesen.«
»Alles zu seiner Zeit. Zuvörderst müssen wir dieser Sache weiter nachgehen.«
»Ihr spielt auf den Knaben an?« fragte Vishbume mit dumpfer Stimme, aus der seine Enttäuschung herausklang.
»Natürlich. Er wäre jetzt fünf Jahre alt; vielleicht lebt er noch immer bei den Elfen.«
Vishbume verzog das Gesicht zu einer skeptischen Miene. »Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Sie neigen zu Grillen und Schnurren. Ihre Begeisterung hält nie lange an. Sie haben den Knaben gewiß längst im Walde ausgesetzt, wo er höchstwahrscheinlich von wilden Tieren gefressen worden ist.«
»Das bezweifle ich. Der Knabe muß gefunden und hierher nach Haidion gebracht werden. Das ist von oberster Dringlichkeit. Wißt Ihr, wo Thripsey Shee gelegen ist?«
»Nein, Herr.«
König Casmir lächelte grimmig. »Es liegt bei dem alten Wohnort von Graithe und Wynes – das heißt, hinter dem Dorfe Glymwode, am Rande des Waldes. Findet Thripsey Shee und stellt den Elfen Eure Fragen. Macht sie, wenn nötig, mit einem Trunk gefügig.«
Vishbume stieß einen hohen Laut der Bestürzung aus. »Eure Majestät, ein Wort noch!«
König Casmir drehte sich langsam um und musterte Vishbume mit einem Blick, so kalt und blau wie ein Gletschersee. »Ihr habt weitere Informationen kundzutun?«
»Nein, Majestät. Ich muß lange und gut nachdenken, wie ich Eure Zwecke am besten erfüllen kann.«
»Dann vergeudet keine Zeit! Diese Sache ist von großer Wichtigkeit ... Warum säumt Ihr noch?«
»Majestät, ich habe Bedürfnisse.«
»In
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