Lyonesse 3 - Madouc
bald aus der Welt schaffen werden!«
König Audry klatschte mürrisch in die Hände. »Frieden jetzt, alle miteinander! Ich wünsche kein weiteres Gezänk in meiner Gegenwart!«
Herzog Claractus erhob sich. »Majestät, ich habe harte Wahrheiten ausgesprochen, die Ihr ansonsten vielleicht nicht hören würdet. Mit Eurer gütigen Erlaubnis werde ich mich nun zurückziehen und mich erfrischen.«
»Tut das, guter Claractus! Ich hoffe, Ihr werdet uns beim Mittagsmahl Gesellschaft leisten.«
»Mit Vergnügen, Majestät.«
Claractus schied. Sir Archem schaute ihm nach, als er über den Rasen davonschritt, dann wandte er sich mit einem mißbilligenden Schnauben wieder den andern zu. »Da geht ein höchst stachliger Bursche!«
»Zweifelsohne loyal, und tapfer wie ein brünstiger Keiler – davon bin ich überzeugt«, erklärte Sir Rudo. »Aber wie die meisten Provinzler engstirnig und verstockt, blind für breite Perspektiven.«
»Bah!« stieß Sir Huynemer angewidert hervor.
»Nur provinzlerisch? Ich finde ihn plump und ungeschlacht, mit seinem Pferdedeckenumhang und seinem unbesonnenen, überforschen Sprachstil.«
Sir Rudo sagte nachdenklich: »Beides dürfte wohl wesentlicher Bestandteil der gleichen Eigenschaft sein, so als ob ein Fehler den anderen erzeugte.« Er fragte den König behutsam: »Welches sind die Ansichten Eurer Majestät?«
Audry gab keine direkte Antwort. »Ich werde über die Angelegenheit nachsinnen. Derartige Entscheidungen dürfen nicht aus der Laune des Augenblicks heraus gefällt werden.«
Sir Tramador näherte sich König Audry. Er beugte sich herab und flüsterte in das königliche Ohr: »Majestät, es ist Zeit, daß Ihr in förmliche Kleidung schlüpft.«
»Wozu?« schrie Audry.
»Majestät, wenn Ihr Euch erinnert: Ihr haltet heute die Assisen ab.«
Audry schaute Sir Tramador bekümmert an. »Seid Ihr dessen sicher?«
»In der Tat, Majestät! Die Litiganten versammelnsich bereits in der Äußeren Kammer.«
Audry zog einen Flunsch und seufzte. »So muß ich mich denn nun mit Narrheit und Habgier herumplagen und all diesem Kram, der mich nicht im geringsten interessiert! Tramador, habt Ihr denn gar kein Erbarmen mit mir? Immer behelligt Ihr mich während meiner spärlichen kleinen Ruhepausen!«
»Ich bedaure, daß ich das tun muß, Eure Hoheit.«
»Ha! Je nun, wenn ich muß, dann muß ich eben; ich komme wohl nicht um diese lästige Pflicht herum.«
»Leider nicht, Eure Majestät. Wollt Ihr den Großen Salon 4 oder die Alte Halle nehmen?«
Audry überlegte. »Was für Fälle stehen zur Beurteilung an?«
Sir Tramador zog einen Bogen Pergament hervor. »Hier ist die Liste, bereits versehen mit den Analysen und Kommentaren des Gerichtsschreibers. In den einzigen Fällen, die hervorstechen, geht es um einen Räuber, der gehenkt wird, sowie einen Gastwirt, der wegen Verwässerung seines Weins ausgepeitscht werden soll. Ansonsten scheint nichts von sonderlichem Belang dabeizusein.«
»Nun denn. Die Sitzung soll in der Alten Halle stattfinden. Ich fühle mich nie recht wohl auf Evandig; er scheint unter mir zu beben und sich zu winden – ein ungewöhnliches Gefühl, gelinde gesagt.«
»Das will ich meinen, Eure Majestät!«
Die Assisen nahmen ihren Lauf. König Audry kehrte in seine Privatgemächer zurück, wo seine Kammerdiener ihn für den Nachmittag kleideten. Audry verließ das Gemach indes nicht sogleich. Er entließ seine Kammerdiener, ließ sich in einen Sessel sinken und brütete über die Probleme, die Herzog Claractus aufgeworfen hatte.
Der Gedanke, Poëlitetz mit Gewalt zurückzugewinnen, war natürlich absurd. Feindschaft mit König Aillas konnte nur Casmir von Lyonesse nutzen.
Audry stand auf und schritt, mit gesenktem Haupt und hinter dem Rücken verschränkten Händen auf und ab. Alles in allem genommen, so mußte er sich eingestehen, hatte Aillas nur die klare und ungeschminkte Wahrheit ausgesprochen. Gefahr für Dahaut drohte nicht von den Ulflanden, und auch nicht von Troicinet, sondern von Lyonesse.
Claractus hatte nicht nur keine erfreuliche Nachricht mitgebracht, sondern auch auf ein paar unangenehme Realitäten angespielt, die Audry lieber ignorierte. Die dautischen Truppen in ihren schmucken Uniformen gaben zwar ein prächtiges Bild bei Paraden ab, aber selbst Audry mußte zugeben, daß ihr Verhalten auf dem Schlachtfeld als fragwürdig einzuschätzen war.
Audry seufzte. Um der Situation abzuhelfen, waren Maßnahmen erforderlich, die so drastisch waren,
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