Lyonesse 3 - Madouc
plötzliches neues Konzept. Casmir arbeitete seit langem daran, Zwietracht unter den ulfischen Baronen mit dem Ziel zu schüren, sie zu einer offenen Rebellion gegen das Regime ihres fremdländischen Königs aufzustacheln. Zu diesem Behuf hatte er Torqual angeworben, einen Ska-Renegaten, der zum Gesetzlosen geworden war.
Das Unternehmen hatte jedoch bisher keine wirklich erfreulichen Ergebnisse gezeitigt. Bei all seiner Unbarmherzigkeit und Verschlagenheit gebrach es Torqual doch an der nötigen Gefügigkeit, was seine Nützlichkeit einschränkte. Je mehr Zeit verstrich, desto ungeduldiger und unzufriedener wurde König Casmir; wo blieben Torquals Leistungen? Als Antwort auf Casmirs Befehle, übermittelt durch Kurier, forderte Torqual nur immer wieder aufs neue Gold und Silber. Casmir hatte bereits enorme Summen ausgegeben; überdies fand er, daß Torqual seine Bedürfnisse unschwer mittels Plünderung und Raub befriedigen und so Casmir unnötige Ausgaben ersparen konnte.
Für Zusammenkünfte mit seinen Privatagenten bevorzugte Casmir den Raum der Seufzer, eine Kammer, welche über dem Rüsthaus gelegen war. In den alten Zeiten, vor der Erbauung des Peinhador, hatte das Rüsthaus als Folterkammer der Burg gedient; Häftlinge, die der Behandlung harrten, saßen darüber im Raum der Seufzer, wo das empfindliche Ohr – so hieß es – noch immer Klagelaute vernehmen konnte.
Der Raum der Seufzer war öde und kahl. Seine Möblierung bestand aus zwei Holzbänken, einem Tisch aus Eichenholzbrettern, zwei Stühlen, einem Tablett mit einer alten Buchenholzflasche und vier Bechern aus demselben Material, an welchen Casmir Gefallen gefunden hatte.
Eine Woche nach dem Empfang der Nachricht von König Audrys fruchtloser Demarche auf der Feste Poëlitetz wurde Casmir von seinem Unterkämmerer Eschar in Kenntnis gesetzt, daß der Kurier Robalf ihn im Raum der Seufzer baldestmöglich zu sprechen begehre.
Casmir verfügte sich sogleich in die freudlose Kammer über dem Rüsthaus. Auf einer der Bänke saß Robalf – eine hagere, schmalgesichtige Person mit wachen braunen Augen, schütterem braunen Haar und einer langen Hakennase. Er trug von der Reise befleckte Kleider aus braunem Barchent und eine spitze schwarze Filzmütze; als Casmir den Raum betrat, sprang er auf, lüftete die Mütze und verbeugte sich. »Majestät, ich stehe zu Euren Diensten!«
Casmir musterte ihn von Kopf bis Fuß, nickte knapp und setzte sich hinter den Tisch. »Nun denn, wie lautet Eure Nachricht?«
Robalf antwortete mit schriller Fistelstimme: »Herr, ich habe getan, wie Ihr mich geheißen habt, und nicht einen Schritt auf dem Weg gezaudert; ja ich habe nicht einmal angehalten, um meine Blase zu entleeren!«
Casmir zupfte sich am Kinn. »Ihr habt Eure Notdurft doch wohl nicht im Laufen verrichtet?«
»Majestät, Hast und Pflichttreue machen Helden aus uns allen!«
»Interessant.« Casmir goß Wein aus der Buchenholzflasche in einen der Becher. Er deutete auf den zweiten Stuhl. »Nehmt Platz, guter Robalf, und enthüllt Eure Neuigkeiten in Bequemlichkeit.«
Robalf ließ zimperlich seinen dünnen Hintern auf der Kante des Stuhles nieder. »Herr, ich traf mich mit Torqual an der vereinbarten Stelle. Ich überbrachte ihm Eure Vorladung, daß er in die Stadt Lyonesse kommen müsse; ich benützte Eure Worte und sprach mit Eurer königlichen Autorität. Ich bat ihn, sich sofort für die Reise zu rüsten, auf daß wir zusammen den Trompada hinunter nach Süden reiten könnten.«
»Und wie war seine Antwort?«
»Sie war rätselhaft. Zuerst sprach er überhaupt nicht, und ich frug mich schon, ob er überhaupt meine Stimme gehört hatte. Dann äußerte er diese Worte: ›Ich werde nicht nach der Stadt Lyonesse reiten.‹
Ich protestierte mit aller Schärfe und Dringlichkeit, zitierte abermals das Geheiß Eurer Majestät. Schließlich sprach Torqual eine Botschaft für Eure Ohren.«
»Ho ha!« murmelte Casmir. »So, tat er das? Und wie lautete diese Botschaft?«
»Ich muß Euch vorweg warnen, Herr: er zeigte wenig Taktgefühl und verzichtete auf die gehörigen Ehrentitel.«
»Egal. Sprecht die Botschaft.« Casmir trank aus seinem Buchenholzbecher.
»Zunächst einmal übermittelte er seine besten und innigsten Grüße und die Hoffnung, daß Eure Majestät sich auch weiterhin guter Gesundheit erfreuen möge: das heißt, er richtete gewisse seltsame Geräusche an den Wind, und ich deutete ihren Sinn so. Alsdann behauptete er, allein die Angst um sein
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