Lyonesse 3 - Madouc
Grundsätzen des Gewohnheitsrechts erlangten die Ska durch ihre Handlungen und in Ermangelung jeglicher dautischer Einrede den vollen Rechtstitel auf den Besitz der Feste Poëlitetz und die Ländereien oberhalb des Langen Dann.
Zu gehöriger Zeit besiegte die ulfische Armee, befehligt von König Aillas, die Ska, vertrieb sie und nahm ihren Besitz vermittels Waffengewalt an sich. Besagter Besitz wurde dadurch nach Recht und Gesetz Bestandteil des Königreichs Nord-Ulfland. Diese Fakten und die entsprechenden Präzedenzfälle aus der Geschichte sind unanfechtbar.«
Claractus musterte Dhrun lange und scharf. »Ihr kräht laut für einen so jungen Hahn.«
»Euer Gnaden, ich wiederhole lediglich die Worte, die König Aillas mir aufgetragen hat, und ich hoffe, daß ich Euch nicht gekränkt habe. Da wäre freilich noch ein anderer Punkt, der zu bedenken ist.«
»Nämlich?«
»Der Lange Dann bildet eindeutig die natürliche Grenze zwischen Dahaut und Nord-Ulfland. Die Trutzkraft der Feste Poëlitetz hat für Dahaut keine Bedeutung; für die Königreiche von Süd- und Nord-Ulfland ist sie indes im Falle eines Angriffs aus dem Osten von unschätzbarem Wert.«
Claractus lachte heiser. »Und wenn die angreifenden Heere nun Dauter wären, was dann? Wir würden es bitter bereuen, unseren Anspruch auf unser Territorium nicht geltend gemacht zu haben, wie wir es jetzt tun.«
»Euer Begehren ist abgelehnt«, sagte Dhrun maßvoll. »Ich könnte vielleicht noch hinzufügen, daß unsere Sorge mitnichten den dautischen Streitkräften gilt, womit ihre Tapferkeit natürlich keineswegs in Abrede gestellt werden soll, sondern den Armeen König Casmirs von Lyonesse, der sich kaum Mühe gibt, seine Absichten zu verhehlen.«
»Wenn Casmir es wagt, auch nur einen Schritt auf das Territorium von Dahaut zu setzen, wird er eine schlimme Niederlage erleiden!« erklärte Claractus. »Wir werden ihn die Alte Straße hinunterhetzen und ihn am Kap des Wiedersehens stellen, wo wir ihn und seine überlebenden Soldaten in kleine Stücke hauen werden!«
»Das sind tapfere Worte!« sagte Dhrun. »Ich werde sie meinem Vater übermitteln; sie werden ihre beruhigende Wirkung auf ihn nicht verfehlen. Unsere Botschaft an König Audry lautet wie folgt: Poëlitetz und die Gebiete oberhalb des Langen Dann sind jetzt Teil von Nord-Ulfland. Er braucht keine Überfälle von Westen zu fürchten und kann daher seine gesamte Energie wider die keltischen Räuber wenden, die ihm soviel Ärger in Wysrod bereiten.«
»Pah«, murmelte Claractus, dem im Moment keine überzeugendere Erwiderung einfiel.
Dhrun verneigte sich. »Ihr habt die Worte von König Aillas vernommen. Es gibt nichts mehr zu sagen, und Ihr habt meine Erlaubnis, zu gehen.«
Herzog Claractus starrte ihn ein letztes Mal grimmig an, dann machte er auf dem Absatz kehrt, gab seinen Begleitern ein Zeichen und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Von den Zinnen aus schauten Aillas und Dhrun zu, wie sich die Kolonne über die Ebene der Schatten entfernte. »Audry ist ziemlich träge und sogar ein wenig leichtfertig«, sagte Aillas. »Es kann sehr gut sein, daß er zu dem Schluß gelangt, daß in diesem Fall seine Ehre nicht wirklich beeinträchtigt ist. Das hoffe ich jedenfalls, da wir keine weiteren Feinde gebrauchen können. König Audry im übrigen ebensowenig.«
3
Zur Zeit der Danaer-Einfälle war Avallon eine befestigte Marktstadt an der Seemündung des Camber gewesen, bemerkenswert allein wegen der vielen Türme, die hoch über die Stadtmauern ragten.
Die Macht der Danaer nahm ihren Lauf; die großen, haselnußäugigen Krieger, die bis auf ihre bronzenen Helme nackt in den Kampf zu ziehen pflegten, verschwanden im Nebel der Geschichte. Die Mauern von Avallon verfielen; die zerbröckelnden Türme gaben nur mehr Eulen und Fledermäusen Schutz, doch Avallon blieb die ›Stadt der Hohen Türme‹.
Vor den Zeiten der Wirren machte Olam III. Avallon zu seiner Hauptstadt, und unter gewaltigem Kostenaufwand gestaltete er Falu Ffail zum glanzvollsten Palast der Älteren Inseln. Seine Nachfolger standen ihm hierin in nichts nach, und jeder wetteiferte mit seinen Vorgängern hinsichtlich der Größe und des Glanzes seines jeweiligen Beitrags zum Gefüge des Palastes.
Als Audry II. auf den Thron kam, nahm er sich der Vervollkommnung der Palastgärten an. Er verfügte den Bau von sechs Springbrunnen mit je neunzehn Wasserstrahlen, jeder umgeben von einer Ringpromenade mit gepolsterten Sitzbänken;
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