Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
nach Ölvorkommen suchte. Sie bohrten mitten in einen Stollen hinein, der unter dem See verlief. Denn da war ein altes Salzbergwerk, da hatte bloß keiner dran gedacht. Merde, mehr kann man dazu nicht sagen. Der Bohrturm kippte und versank im See. Zack! Das Wasser brach in den Bergwerksstollen ein, und ein gigantischer Strudel saugte alle Boote und Schiffe in den Untergrund. Nach sieben Stunden war der See vollkommen leer, können Sie sich das vorstellen?! Später füllte er sich mit Meerwasser wieder auf. Und jetzt sieht man nichts mehr. Ist alles so, wie's vorher war.« Er sog hörbar die Luft ein. »Tja, nichts ist so, wie es aussieht. Und unter der Oberfläche ist meist alles anders, als man denkt.«
    Danny schaute auf die Uhr.
    Sie waren seit mehr als einer Stunde unterwegs.
    »Wir kommen jetzt in ein Gebiet, das wir als Wax Bayou bezeichnen.« Henri wirkte nun wachsamer als noch vorhin.
    Der Wald wurde dichter, und die Sonnenstrahlen lugten nur noch hier und da durch das Blätterwerk. Es roch intensiv nach feuchtem Erdreich und den Pflanzen, die sich um die Stämme der Bäume rankten.
    Eine verwunschene Welt.
    Danny gab sich dumpfen Tagträumen hin.
    Elusive dreams.
    Dann riss ihn Henri Lafitte aus seinen Gedanken.
    »Da ist es!«, verkündete er.
    Das Brummen des Motors verebbte, als das Boot auf ein skurriles Bild zutrieb.
    »Was ist denn das?« Sunny nahm die Brille ab und starrte auf das seltsame Gebilde, das sich vor ihnen in luftiger Höhe abzeichnete- »Da«, sagte Henri, »wohnt Jean Laveau.«
    Danny konnte es kaum glauben.
    Was sie sahen, mochte einmal ein Kutter gewesen sein.
    Er befand sich hoch oben auf einem Baum, mehr als drei Meter über dem Boden. Die dicken Äste der Zypresse trugen den Kutter, eingebettet in ein Geflecht aus fremden Blättern und Ranken. Spanisches Moos wehte an der Unterseite des Rumpfs, eine Strickleiter baumelte im Wind.
    »Ist im Hochwasser von '78 bis hierher gekommen«, erklärte Henri fröhlich. »Und dann stecken geblieben. Als das Wasser zurückging, hing er im Baum.« Er steuerte das Boot darauf zu. »Die Crew ist mit den Rettungsbooten abgehauen. Kein Mensch hat sich mehr um den Kutter gekümmert. Bis Laveau ihn entdeckt hat.«
    Danny erkannte, dass der Kutter am Baum festgemacht war. Es gab Bretter, die wie Balkone aus dem RumpfTagten. Und einen Flaschenzug, um größere Gegenstände nach oben ins Boot zu kriegen.
    Am Bug stand der Name.
    Pascagoula.
    Eine Gestalt erschien oben an Deck und schaute zu ihnen in den Bayou hinab, wo Henri Lafitte das Boot langsam stoppte und es die letzten Meter aufs Ufer zutreiben ließ.
    »Ah, Messieurs Dames«, rief ihnen die Gestalt zu.
    Henri Lafitte winkte zum Gruß. »Ich bringe Gäste.«
    Dann legten sie an.
    Henri sprang aus dem Boot, packte ein Tau und wickelte es um einen nahen Baumstamm.
    Danny sprang hinterher, half seiner Frau aus dem Boot.
    »VUow«, borgte sich Sunny das Lieblingswort ihres Mannes.
    Der Baum, auf dem der Kutter feststeckte, erhob sich auf einem kleinen Eiland, das mit Dingen bedeckt war, die nicht dorthin zu gehören schienen. Ein ausgebrannter Ford, daneben eine Sitzgruppe aus gusseisernen Stühlen mit einem Tisch, Holzscheite, säuberlich aufgestapelt, eine Kiste mit Ersatzteilen, vermutlich für das Boot, das neben einem Kanu aufs Trockene gezogen war.
    Als Danny den Boden betrat, hatte er das Gefühl, auf einem Ponton zu laufen.
    Der Torf schwankte bei jedem Schritt, den er tat.
    »Hallo, Henri«, rief der Mann von oben. »Nehmt die Strickleiter.«
    »So ist er«, kommentierte Henri.
    Sie kletterten an der Strickleiter nach oben.
    Dort angekommen, standen sie auf dem Deck des Kutters. Kisten lagen dort herum, Taue, Werkzeug, jede Menge Krimskrams.
    Ein großer Kreole empfing sie. Federschmuckohrringe baumelten ihm bis zur Schulter. Er war riesig, mit breiten Schultern und Augen, die wie Kohle glommen. Er trug eine blaue Latzhose, sonst nichts.
    »Ich bin Jean Laveau«, stellte er sich vor.
    »Danny.«
    »Sunny.«
    Er reichte beiden die riesige Hand.
    Henri sagte: »Die beiden suchen jemanden.«
    Kurzes Nicken. »Kommt einfach rein«, sagte Laveau und führte sie über das Deck, aus dessen Planken zwei Äste herausragten. »Willkommen in meinem Laden.«
    Nur einer der ursprünglich zwei Masten war noch intakt.
    Laveau ging vor, duckte sich, als er durch eine niedrige Tür schritt.
    »Das hier sieht aus wie die Kulisse in einem Film«, stellte Sunny fest.
    »Ist eine Anlaufstelle für die Sumpfleute.

Weitere Kostenlose Bücher