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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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werden.«
    »Danke«, sagte Danny.
    Sunny saß bereits im Boot. Sie band sich die Haare zu einem Zopf und setzte den Hut auf.
    Henri warf den Motor an.
    »Ein Yamaha 60 PS-Zweitakter«, erklärte er, »mit Elektrostart und 4 PS Mari. Das war damals in den 80ern der letzte Schrei.« Er grinste. »Heute ist es nur alt. Aber das Mädchen hat mich noch nie im Sich gelassen. Nicht mal, als Katrina alles verwüstet hat. Ich war damals draußen, und als die Warnung kam, bin ich nach Morgan City gerast wie ein Verrückter.«
    Er tätschelte das Boot, als sei es ein Haustier.
    »Los geht's.«
    Nach der unruhigen Nacht genoss Danny es, den frischen Wind im Gesicht zu spüren. Kleine Wasserspritzer benetzten ihm die Haut, und seine Haare wurden verwuschelt. Das Boot fuhr in der Mitte des Atchafalaya River und schaukelte nicht wenig. Der Verkehr auf dem Fluss war selbst um diese Uhrzeit nicht zu unterschätzen.
    »Ist einer der wichtigsten Wasserwege in der Gegend«, kommentierte Henri knapp die vielen Schlepper und Frachtschiffe, die in beiden Richtungen fuhren.
    Mit sicherer und ruhiger Hand lenkte Henri das Boot den Fluss hinunter.
    You gotta keep a good eye
    on (he winding road ahead.
    The Gaslight Anthem.
    Kein Wunder, dass Danny gerade an diesen Song denken musste.
    Eine halbe Stunde lang folgten sie dem Verlauf des Atchafalaya River, der breit und mächtig dem Golf von Mexiko zuströmte. Sunny hatte sich bequem im Sitz zurückgelehnt. Sie genoss es sichtlich, dass die Sonne jetzt hervorbrach und helle Muster auf die Wellen zeich nete.
    »Irgendwann«, verkündete sie Danny, »male ich ein Bild in diesen Farben.«
    »Das wirst du«, antwortete er nur.
    Blickte nach vorn, nicht zurück.
    Shrimp-Fänger fuhren zur offenen See hinaus. Möwen flogen um die Schiffe herum, hungrig kreischend.
    »Jean Laveau ist in der Gegend bekannt wie ein bunter Hund«, sagte Henri. »Er lebt da draußen im Bayou. Verkauft Schnickschnack. Voodoo-Zeugs. Ist'n netter Kerl.« Er drehte sich zu Danny um. »Anständig. Er wird Ihnen bestimmt helfen.«
    Danny schwieg beharrlich.
    Hätte von sich aus über das Gespräch vom Vorabend kein Wort mehr verloren.
    »Wegen meiner Schwester«, meinte Henri, dem die Sache, soweit man es ihm von den Augen hatte ablesen können, peinlich gewesen war, »nichts für ungut.«
    »Ja.« Danny wollte jetzt nicht darüber reden. Er hatte kein Interesse an diesem Aberglauben. Ein Funken Wahrheit steckte in jeder Geschichte, da biss die Maus keinen Faden ab.
    »So sind die Frauen, was?« Henri grinste.
    Danny grinste nicht. Sunny jedenfalls war anders.
    She made my heart tick ticks.
    Wenn das hier vorüber war, würde er einen Song schreiben, in dem sie vorkam.
    Melodien und Gesichter wurden ihm plötzlich eins.
    Yeah, she made my heart tick ticks.
    Sie verließen den Atchafalaya River und stießen in einen Nebenarm vor, der sie binnen weniger Minuten in eine verlassene Gegend führte, die von der Stille und dem Geräusch des Motors beherrscht wurde.
    »Bayou«, erklärte Lafitte, »heißt stilles Wasser. Aber das hier ist der Wax River.«
    »Also kein Bayou?«
    »Sie sagen es.«
    Überall an den Ufern standen Hinweisschilder für die Gasleitungen, die hier irgendwo verliefen. Zwischen den Ästen der Bäume erkannte man hin und wieder eine Stromleitung.
    »Die verschwinden auch bald«, sagte Henri Lafitte. »Ist nur am Rand des Gebiets so. Da, wo man die Stadt noch riechen kann. Weiter drinnen im Sumpf sieht es anders aus.«
    Danny seufzte.
    Ließ die Landschaft auf sich wirken.
    Die meisten Bäume, die hier wuchsen, waren Zypressen, die sich mittels ihrer riesigen Wurzeln im brackigen Boden festkrallten. Seltsam anmutende graue Behänge hingen von den Ästen der Bäume herab.
    »Wurde früher abgeerntet wie nichts in der Welt und ist immer noch ein beliebter Füllstoff für Puppen und Kissen.« Henri, der offensichtlich zum Reden aufgelegt war, drehte sich zu ihnen um. »Ist Ihnen mal aufgefallen, wie viele Kissen und Puppen hier in der Gegend verkauft werden? New Orleans ist voll davon.« Er deutete hinauf zu den düsteren Vorhängen, die im Wind wehten, als entstammten sie einem der Hitchcock-Filme, die der Meister noch in England gedreht hatte. »Spanisches Moos.«
    Sunny zog ihre Sonnenbrille an.
    Machte ihr cooles Gesicht.
    Wie auf der Bühne.
    Wenn sie sich wie eine Katze bewegte, mit geschmeidigen Schritten mit ihrer Geige dem Publikum vor der Nase herumtanzte.
    Danny musste schmunzeln, wenn er an die Konzerte

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