M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
sagte Patrizia und schaute wieder zur Decke.
»Das ist eine andere Ebene. Was ich sagen will, ist: Dennings Plan ging auf, und wir entwickelten seine Legende. Wir mieteten die Wohnung in Ramersdorf, wir besorgten ihm eine Taxilizenz, er lernte die Grundregeln. Basisarbeit. Nach wenigen Monaten hatte er die ersten echten Kontakte, und er wuchs perfekt in seine Rolle hinein. Er wurde praktisch der Fahrer der rechten Szene, die nicht aus Glatzen und Schlägern besteht, sondern aus den Leuten, die die Fäden ziehen.
Und dann taucht Mia Bischof auf, und er findet raus, dass sie die Ex-Frau des seit zehn Jahren gesuchten Extremisten Jost ist. Ein erster großer Erfolg. Allerdings war ihm nicht klar, inwieweit die Frau in die Aktivitäten der Szene verstrickt ist. Sie arbeitet als Journalistin, sie schreibt keine Hetzartikel oder Sachen, die in eine bestimmte Richtung weisen, sie ist absolut unauffällig.«
»Sie hat regelmäßig Kontakt mit ihrem Vater in Starnberg«, sagte Süden. »In seinem Hotel treffen sich NPD-Leute.«
»Das ist früher passiert, das ist wahr. Aber dann war Schluss, keine weiteren Vorkommnisse. Und, wie Sie wissen, die Partei ist nicht verboten. Solange niemand gegen das Gesetz verstößt, können die sich praktisch überall versammeln, wo man sie reinlässt. Unser Augenmerk galt Mia Bischof. Denn auch wenn ihr nichts nachzuweisen ist, gehen wir inzwischen davon aus, dass sie eine Geheimnisträgerin ist und möglicherweise immer noch Verbindungen zu ihrem Ex-Mann unterhält. In dieser Hinsicht war uns der Verfassungsschutz bisher keine Hilfe, leider. Ich gebe auch zu, mein Kollege hat Zweifel an dieser Theorie. Aus Gründen, die mir noch nicht klar sind, bezweifelt er eine auch passive Mittäterschaft von Mia Bischof. Bei unseren Treffen hat er sich sehr zurückhaltend geäußert, was mich gewundert und durchaus verstört hat.«
»Da war etwas passiert, was Sie nicht erwartet haben«, sagte Süden.
»Was meinen Sie? Sein plötzliches Verschwinden? Ja, das …«
»Ich meine die Beziehung zwischen Denning und Mia, sie wurden ein Liebespaar.«
Welthe schien eine Weile zu brauchen, bis er den Satz verstanden hatte. Dann schüttelte er den Kopf und stemmte ein Lächeln auf sein ansonsten mienenloses, rundes, rosiges Gesicht. »Das ist mal ein auflockernder Gedanke. Ein Liebespaar! Die beiden sind doch kein Liebespaar.«
Süden schwieg. Welthe warf der Frau auf dem Sofa einen unbeholfenen Blick zu. Nach einigen Momenten wandte Patrizia ihm das Gesicht zu. Sie schien über sein Verhalten nicht weniger verblüfft zu sein als er über Südens Bemerkung. »Die sind doch kein Liebespaar«, wiederholte Welthe. »Was reimen Sie sich denn da zusammen?«
Süden war nicht in der Stimmung, sich über Welthes komisch anmutende Verwirrung zu amüsieren. »Mia Bischof hat Angst um ihn, weil sie starke Gefühle für ihn hegt, das wissen Sie doch. Sie haben Mia vor seiner Wohnung gesehen. Sie haben mir gesagt, Sie würden seine Freundin kennen, wenn auch nur flüchtig. Was ist los mit Ihnen? Die Zeit der Spiele ist vorbei. Sie haben recht: Sie wissen etwas, wir wissen etwas, und wir wollen beide den Mann gesund wiederfinden. Hören Sie endlich auf, uns zu verdummen.«
»Ich verdumme Sie nicht.« Welthe hatte Schweißtropfen auf der Stirn. Er leckte sich die Lippen und hätte vermutlich gern einen Schluck Wasser getrunken. Bei der Begrüßung hatte er ein Getränk mit dem Hinweis abgelehnt, er würde nicht lange bleiben.
»Nein … Sie missverstehen mich absolut, ich habe … Ja, die Frau, natürlich bin ich ihr begegnet, aber ich wusste nicht, bitte glauben Sie mir das, ich wusste nicht, dass es sich um Mia Bischof handelte. Wie hätte ich das ahnen sollen? Denning sagte, die Frau sei eine gute Bekannte, und ich hatte den Eindruck, er geniere sich ein wenig dafür, dass er während eines Einsatzes eine Affäre hat. Sind Sie sicher mit dem, was Sie behaupten? Das würde ja bedeuten, er hat … Die Frau kam zu Ihnen mit dem Auftrag, ihn suchen zu lassen. Das weiß ich. Gut. Und die Frau ist Mia Bischof. Wie ich Ihnen in dem Lokal anvertraut habe, ist sie unsere beziehungsweise Dennings Kontaktperson. Nein. Süden, ich glaube Ihnen nicht. Ausgeschlossen.«
Er schnaufte, strich sich über die rechte Wange, nahm seine Brille ab, blinzelte und setzte die Brille wieder auf. Er schwitzte mehr als vorher. »Haben Sie eine Vorstellung von Dennings Vita? Von seinen Verdiensten? Seinem polizeilichen
Weitere Kostenlose Bücher