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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Mordes zu lebenslanger Haft. Mindestens zweihundert junge Frauen und Männer, viele unter achtzehn, aus mehreren Ländern, erlangten wegen Denning die Freiheit wieder. Ihm allein hatten sie ihr neues Leben zu verdanken.
    Er hätte sterben können. Wie bedrohlich seine Lage wirklich war, hat er mir erst viel später erzählt. Manche Dinge tauchten in seinen Berichten nicht auf, im Grunde eine Unmöglichkeit, fahrlässig, unprofessionell. Natürlich auch kein Wort über die Huren, mit denen er privat verkehrte. Seit ich ihn kenne, bestanden seine Beziehungen aus Prostituierten und Callgirls und Barfrauen. Wahrscheinlich liegen die Ursachen dafür in seiner Frühzeit in Berlin. Er hatte einfach nie andere Frauen kennengelernt, und er mochte sie. Er sorgte sich um sie. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass er sie retten wollte, rausholen aus ihrem schmutzigen Leben. Glaube ich nicht. Ich glaube, er wollte ihnen beistehen, er wollte ihnen zeigen, dass sie sich auf ihn verlassen konnten, wenn sie in Not gerieten. Außerdem musste er sich auf diese Weise nicht fest binden, ein Vorteil für einen rabiaten Einzelgänger wie ihn.
    Worüber er auch nicht redete, war, wie sehr ihn der Einsatz im OK-Milieu tatsächlich mitgenommen hatte, nicht nur, weil er dabei fast zwei Finger verloren hätte. Nach etlichen Gesprächen beim Wein schien mir manchmal, als hege er den Gedanken auszusteigen, aus allem, seinem Beruf, seinem bisherigen Leben. Als wäre er auf der Suche nach einem Neuanfang durch und durch. Ich fragte ihn danach, und er stritt alles ab. So ist er. Man kriegt nichts aus ihm raus.
    Schließlich dachte ich nicht weiter darüber nach, denn er arbeitete hauptsächlich im Innendienst und half bei der Aufklärung von milieubedingten Straftaten. Kein Wort mehr über die Möglichkeit eines erneuten verdeckten Einsatzes.
    Und vor drei Jahren kamen die Kollegen vom Staatsschutz und hielten nach einem erfahrenen, nicht mehr allzu jungen Ermittler Ausschau, der für die rechtsradikale Szene geeignet wäre. Fragen Sie mich bloß nicht, wie sie auf ihn gekommen sind. Fragen Sie mich nicht, denn dann müsste ich zugeben, dass er sich freiwillig gemeldet hat. Was ich nicht wusste. Er traf sich mit den Kollegen im LKA, hörte sich an, was sie bisher ermittelt hatten und welche Zielpersonen in Frage kämen. Die Kollegen gingen davon aus, dass in der Szene weitere Straftaten geplant sind, auch in größerem Umfang wie bei dem gescheiterten Anschlag auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Gemeindezentrums. Jedenfalls erklärte er mir eines sonnigen Sonntagnachmittags, als wir wieder einmal an den Erler Weiher gefahren waren, um unsere Köpfe auszulüften, dass er sich entschlossen habe, noch einmal als verdeckter Ermittler zu arbeiten.
    Wir stehen da also auf einem Steg im Schilf, rings um uns alles grün und frühlingshaft, eine Menge Spaziergänger, der Weiher schimmert blau, und ich begreife nichts. Niemals, dachte ich, würde er je wieder ein derartiges Risiko eingehen. Er ist heute vierundfünfzig, wozu sollte er in diesem Alter noch einmal sein Leben aufs Spiel setzen? In einem gewaltbereiten, unberechenbaren Milieu?
    Und was erwidert er? Er traue sich das zu, er müsse Verantwortung übernehmen, er habe Erfahrung auf dem Gebiet. Natürlich hat er Erfahrung, wer bezweifelt das? Ich riet ihm ab, sagte ihm ins Gesicht, er überschätze sich, er sei zu alt dafür, es würde Jahre dauern, bis er einen brauchbaren Kontakt hergestellt habe. Wir gingen um den Weiher herum, kehrten im Gasthaus ein, tranken Weißbier, und ich redete weiter auf ihn ein, und er hörte zu. Und als wir wieder im Auto saßen – er fuhr, es war sein Wagen –, begriff ich, dass er seine Entscheidung längst getroffen hatte.
    Wahrscheinlich hatte ich mich wie sein Vater verhalten, der kurz vor dem Abitur seinen Sohn beschwor, die Bäckerei zu übernehmen. Das Geschäft sei krisensicher und zukunftsträchtig. Und sein Sohn hörte ihm wahrscheinlich freundlich zu und wusste längst, dass er in einem Monat in Berlin sein und so schnell nicht zurückkommen würde. Das erschreckte mich. Mir wurde plötzlich klar, dass niemand diesen Mann aufhalten oder beeinflussen konnte, wenn er es nicht selbst wollte.
    Bei all seiner Professionalität als Kriminalist und Ermittler war er letztlich undurchschaubar, ein Meister seines Fachs und ein perfekter Verschleierer seiner Gedanken und Gefühle. Wir sind enge Freunde, dachte ich auf der Rückfahrt vom Erler Weiher,

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