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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sie. Robert Schultheis wollte etwas erwidern und schaffte es nicht. Er wollte so vieles sagen, schon gestern, vorgestern, und fand die Worte nicht. Er saß bloß neben seiner Frau oder an ihrem Bett und begriff nicht im Geringsten, warum ausgerechnet sein Sohn Opfer einer Entführung geworden war.
    Das Geld hatte er sich von zwei Banken geliehen. Die Direktoren waren freundlich zu ihm gewesen. Er hatte Mühe, sich an diesem Sonntag an die Fahrt nach Eschenlohe zu erinnern. Er hatte die zwei grauen Mülltüten aus dem Kofferraum geholt und ins Gebüsch geworfen, das ihm der Entführer eine halbe Stunde vorher am Handy beschrieben hatte. Der Mann kannte seine Handynummer, und die Polizei hatte keine Chance, ihn zu orten. Unzähligen Leuten hatte Schultheis als Immobilienmakler seine Handynummer gegeben, was bedeutete, dass die Fahnder jede einzelne Person überprüfen mussten. Ob sie es wirklich taten, wusste er nicht, und er fragte auch nicht nach.
    Er tat, was der Kidnapper ihm befohlen hatte. Angeblich hielt sich die Polizei in der Nähe auf. Gegenüber Kommissar Thon hatte er erklärt, er würde ihn persönlich dafür zur Rechenschaft ziehen, wenn durch eine Unachtsamkeit oder Übereifer seinem Sohn etwas zustoße. Thon hatte versichert, sie würden nichts unternehmen, was Ingmars Leben gefährden könnte.
    Robert Schultheis warf die Müllsäcke ins Gebüsch, schaute sich kurz um und fuhr wieder weg, zurück nach München. Nach etwa einem Kilometer klingelte sein Handy. Thon wollte wissen, was passiert sei. Nichts, sagte er und beendete einfach das Gespräch. Es war ein Reflex; er wollte nicht sprechen; er hatte auf einmal das Gefühl, alles falsch gemacht zu haben, und niemand hätte ihn daran gehindert. Eine Million Euro in zwei Müllsäcken, dachte er, das war doch nicht real. Das Leben seines Sohnes gegen zwei Müllsäcke.
    Jetzt, auf der Couch, neben seiner Frau, erinnerte er sich daran, wie er auf der Rückfahrt am Freitag immer wieder in den Rückspiegel geblickt hatte. Als würde er verfolgt werden – von der Polizei, vom Täter, von Journalisten. Am Morgen hatten die ersten Reporter angerufen, Fotografen und ein Kamerateam waren vor dem Haus aufgetaucht. Bis dahin hatte niemand Verdacht geschöpft. Schultheis hatte sich fast darüber gewundert. Der Schule hatte seine Frau mitgeteilt, Ingmar sei mit einem Freund mitgegangen, den er noch aus dem Kindergarten kenne und der inzwischen auf die Realschule gehe; sie hätten mit einer Rennbahn im Keller gespielt und die Zeit vergessen. Und wie es im Haus Vorschrift sei, habe ein Mieter am Montagabend die Kellertür zum Treppenhaus abgesperrt, weil er die Jungen im hinteren Abteil nicht bemerkt habe. Die Kinder mussten die ganze Nacht und den halben Tag dort unten verbringen, bevor sie von einer Nachbarin gefunden wurden. In der Zwischenzeit sei die Polizei bereits auf der Suche nach ihnen gewesen. Ingmar habe sich eine schwere Erkältung zugezogen und müsse bis zum Ende der Woche zu Hause bleiben. Anscheinend hatten die Lehrer die Geschichte geglaubt.
    Trotzdem hatten auch am Mittwoch und Donnerstag Polizisten immer wieder Passanten und Anwohnern ein Foto von Ingmar gezeigt und gefragt, ob jemand ihn gesehen habe. Kein Wunder, dachte Schultheis, dass einer der Befragten die Presse informiert hatte. Wenigstens hatte es drei Tage gedauert. Lydia, die Sekretärin der Maklerfirma, verwies alle Anrufer an die Pressestelle der Kripo und legte auf, wenn Journalisten aufdringlich wurden.
    Und die Pressestelle hatte es geschafft, dass auch in den Wochenendausgaben der Zeitungen weder ein Foto noch eine Notiz erschienen waren. Dem Täter müsste das in die Hände spielen, dachte Schultheis.
    »Komm«, sagte er zu seiner Frau. »Ich mach frischen Kaffee, und wir tauen den Kuchen auf, den wir im Gefrierschrank haben.«
    Sofort stand Edith auf, was ihn ein wenig überraschte. »Sehr gute Idee, das machen wir.«
    In diesem Moment klingelte das Handy der Kommissarin. Sie holte es aus der Tasche ihrer Wildlederjacke und entsperrte die Tasten. »Ja?«
    Das war alles, was sie sagte. Ohne ein weiteres Wort beendete Verena Bauschmidt das Gespräch und behielt das silberne Gerät in der Hand. Sie schaute zu dem Ehepaar, das vor der Couch stand, Hand in Hand, und sagte: »Es ist etwas passiert.«

    »Was ist passiert?«, fragte Edith Liebergesell. Vor ihr an der Wohnungstür stand Tabor Süden, der seit zehn Minuten geklingelt und geklopft hatte. Anrufen konnte er sie nicht, weil

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