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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Alleinsein. Wenn er wenigstens einen Kameraden hätte, mit dem er dieses Leben teilen könnte, wäre viel geholfen. Sie könnten dann Dinge planen und durchführen, der eine bügelte die Fehler des anderen aus, der eine hatte Ideen, wenn der andere gerade ein zubetoniertes Hirn hatte. So was passierte: dass nichts voranging. Wie früher auf der Baustelle, tagelanger Stillstand, alle waren da, nichts bewegte sich. Das war kein Zustand, das war Dreck. Geiger sagte, er solle sich still verhalten, es würden größere Aufgaben auf ihn warten. Wann?
    Wahrscheinlich hätte er die Jungs nicht hinter dem Alten herschicken dürfen. Er war sich nicht sicher, aber vermutlich hatte er einen Fehler begangen, und Mia hatte recht. Sie war schlau, machte ihre Arbeit bei der Zeitung, und niemand schöpfte Verdacht. Sie organisierte Treffen und hatte einen Mädelring gegründet, von dem die Behörden nicht wussten, dass er praktisch vor ihrer Nase existierte. Eines Tages würde sie an der Spitze der Bewegung stehen, davon war er schon vor zwanzig Jahren überzeugt gewesen, als er sie geheiratet hatte und mit ihr durch die Clubs gezogen war. Sie war die Beste, in allem, die Härteste, die Raffinierteste, eine Meisterin. Und sie tat, was man von ihr verlangte, seit jeher.
    »Lass mich los, bitte. Du musst gehen.«
    »Vorher will ich dich haben.«
    »Ich bitte dich …«
    »Ja? Um was bittest du mich?«
    »Bitte nicht.« Sie versuchte, seine Hand von ihrem Hintern zu nehmen, aber er war stärker. Er war immer stärker gewesen. »Der alte Mann tut mir leid.«
    »Ein alter Mann, allein, ohne Frau, ein Spitzel, vergiss ihn.«
    »Nein. Wie soll denn … wie geht das weiter mit dir? Bitte, antworte mir.«
    Er ließ sie los. Sie wich einen Schritt zurück. Dann warf er seine Jacke aufs Sofa, zog seinen Pullover aus, das T-Shirt, bückte sich, schnürte die Schuhe auf, zog sie aus. »Vorerst bleib ich in der Stadt«, sagte er derweil. »Die Wohnung von deinem Vater ist sicher. Was ich brauch, ist Geld, und wir werden uns was ausdenken müssen. Wir leben leider nicht mehr in den Achtzigern oder Neunzigern, ein Banküberfall bringt uns nichts. Es gibt andere Möglichkeiten. Ich bin mit Kameraden in Norwegen und England in Kontakt, wir haben uns regelmäßig getroffen. Wir schreiben uns Briefe.«
    »Bitte?«, sagte sie erstaunt und schaute ihm zu, wie er seine Unterhose abstreifte. Die Hände in die Hüften gestemmt, stand er nackt vor ihr. So kannte sie ihn, und das wusste er und tat nichts. Er redete weiter.
    »Keine Telefonate, keine Handys. Briefe. Die Post überwacht niemand, und du kannst die Briefe sofort verbrennen. Alles, was du brauchst, ist eine normale Adresse, kein Problem. Und wenn das Geld vorhanden ist, gehen wir nach Südamerika, du und ich. Dein Vater wird uns unterstützen. Wir ziehen das Ganze noch mal durch, damals waren wir zu jung, das weißt du so gut wie ich. Komm endlich. Komm.«
    Sie ging zu ihm.

    Nichts. Sie saßen auf der Bank im Flur und konnten nichts tun. Das Einzige, was ihnen blieb, war, nachzudenken, zum Ende des Flurs zu schauen, weiter nachzudenken. Minute um Minute, eine Stunde lang. Nach achtzig Minuten kam Dr. Reber, der Arzt, mit dem sie schon gesprochen hatten, aus der Intensivstation und erklärte, Herr Kreutzer werde künstlich beatmet, er sei nicht bei Bewusstsein, sein Gesamtzustand sei besorgniserregend, es gäbe leider keine besseren Nachrichten. Kreutzer habe schwerwiegende innere Verletzungen erlitten, er befinde sich seit einer halben Stunde im Zustand der Sedierung, man habe ihm Propofol und Sufentanil verabreicht, mit Komplikationen sei im Moment nicht zu rechnen. Auf die Frage von Patrizia Roos, welche Art von Sedierung er meine, erwiderte der Arzt, es handele sich um eine Langzeit-Narkose, um das, was man als künstliches Koma bezeichne.
    »Natürlich liegt der Patient nicht im Koma, wir nehmen ja Einfluss auf seinen Zustand und die Abläufe. Besseres kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt nicht berichten, es tut mir leid. Sie sollten nicht länger warten.«
    »Danke«, sagte Edith Liebergesell. Nachdem der Arzt hinter einer Tür am Ende des Flurs verschwunden war, griff sie nach Südens Hand. Sie schwiegen lange. Er saß zwischen den beiden Frauen, in seinem Kopf wüteten Gedanken.
    Wenn er Kreutzer nicht losgeschickt hätte … Wenn er diese absurde Idee für sich behalten hätte … Er wollte die zwielichtige Klientin im Auge behalten. Alles, was er recherchiert hatte, deutete darauf hin,

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