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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Couch, und in meinem Kopf zündete ein Satz den nächsten an. So viel Hass und Schmerz und niemand da, dem ich das alles ins Gesicht schreien konnte.
    Du hast recht, ich hab rumgesessen und nachgedacht. Und in der Nacht hab ich dagelegen und nachgedacht. Und am nächsten Morgen und am übernächsten. Und nichts ist passiert, ja, stimmt. Die Polizei hat den Kollegen meines Mannes verhört, Gregor, der hatte Schulden, und in seinen Aussagen stimmte anscheinend eine Menge nicht.
    Dann geriet auch noch Imke Wiegand, seine Maklerkollegin, ins Visier der Polizei. Sie wurde verdächtigt, Beihilfe geleistet zu haben. In der Zeitung tauchten Berichte auf, dass der Fall vor der Aufklärung stünde. Hohles Gerede. Nach einem Vierteljahr stellten sich beide als unschuldig heraus. Diese Hauptkommissarin und ihre Kollegen hatten sich verrannt. Sie sind einer Spur gefolgt, weil sie keine andere hatten, sie haben sich was in den Kopf gesetzt und geglaubt, das sei der Weg zum Ziel. Sie haben zwei Menschen an den Pranger gestellt. Und ich?
    Ich habe anfangs selber daran geglaubt. Ergab ja einen Sinn: Gregor hatte erhebliche Schulden, er kannte unsere Lebensgewohnheiten, er besaß einen Schlüssel für die Haustür, konnte also problemlos den Erpresserbrief einwerfen. Und für die Zeit der Geldübergabe hatte er kein Alibi. Praktisch. Hinterher stellte sich heraus, dass er in Innsbruck war, um Geldgeschäfte zu erledigen, von denen niemand etwas wissen durfte. Er hatte Schwarzgeld deponiert und wollte es in die Schweiz transferieren, wo er es für besser geschützt hielt. Natürlich konnte er darüber mit der Polizei nicht reden. Das tat er erst, als es eng für ihn wurde und die Polizei kurz davor war, einen Haftbefehl zu beantragen. Bei all diesen Geschäften hat Imke ihn gedeckt, sie hing mit drin, eine einfache Geschichte. Aber die beiden glaubten, und das kann ich nachvollziehen, dass die Polizei sie irgendwann in Ruhe lassen würde, hatten sie doch mit Ingmars Entführung nicht das Geringste zu tun. Aber so arbeitet die Polizei nicht.
    Unschuldig ist niemand. Sie hatten keine Spur, und ich weiß nicht, welche Dilettanten der Spurensicherung in Eschenlohe am Werk waren, als sie den Übergabeort untersuchten. Da muss es Spuren von Autos gegeben haben, Fingerabdrücke, was weiß ich. Nichts. Unsichtbare Entführer, unsichtbare Mörder. Und nachdem sie einsehen mussten, dass sie die falschen Leute beschuldigt hatten, fingen sie an, meine Glaubwürdigkeit und die meines Mannes zu untergraben. Auch in unseren Aussagen gab’s Widersprüche, das liegt in der Natur der Sache, oder nicht?
    Der eigene Sohn wird gekidnappt, da verliert man schon mal die Balance und sagt Dinge, die wirr oder sogar falsch sind. Unschuldig ist niemand in den Augen der Polizei. Sie haben unser Telefon abgehört, unser Auto verwanzt, unsere Wohnung. Hauptkommissarin Bauschmidt leistete gute Arbeit oder wer immer die Abhörgeräte installiert hat. Wir haben nichts gemerkt. Ohne uns zu fragen, beschafften sie sich DNA-Spuren von Robert und mir, von Zahnbürsten, Kleidern, ich weiß nicht, woher. Später teilten sie uns mit, die Spuren hätten uns entlastet, und sie zeigten uns sogar die richterliche Genehmigung fürs Abhören. Wir waren allen Ernstes Verdächtige.
    In der Zeitung war ein Bericht, in dem stand, dass wir zur Vernehmung ins Polizeipräsidium kommen müssten. Reine Routine, sagte der Pressesprecher. Zum Glück fragten die Journalisten nicht nach. Nichts. Sie fanden nichts, während all der Monate. Ja, Patrizia, ich saß da und gebrauchte meinen Kopf und stellte mir immer wieder dieselben Fragen, und die Antworten kamen zurück wie das Echo von Kanonenschüssen. Nein. Nein. Nichts. Nichts. Heute denke ich, wenn die Entführer ihre Pässe im Treppenhaus verloren hätten, hätten diese Polizisten sie auch nicht gefunden.
    Und ich setze mich auch noch ins Fernsehen und bitte die Täter, meinen Sohn freizulassen. Fünf Millionen Leute sehen zu, wie ich vor laufender Kamera heule. Und danach? Verdächtigt die Polizei mich. Hört mich ab. Beschnüffelt mich wie einen Staatsfeind. Was für ein Dreck, was für eine unfassbare Willkür und Ahnungslosigkeit.
    Es dauerte Jahre, bis ich wieder so was wie Vertrauen in den Rechtsstaat hatte. Falls das überhaupt noch möglich ist: Vertrauen zu haben. Noch dazu in einen Rechtsstaat, dessen Vertreter ich hautnah kennengelernt habe. Das waren die mit den Wanzen in unserer Wohnung. Und die Täter laufen immer noch frei

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