M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
vielleicht überhaupt keinen. Wenn er da gewesen wäre, hätten wir uns nicht so alleingelassen gefühlt, Robert und ich. Er wäre an unserer Seite gewesen, jeden Tag in diesem Alptraum, jede Nacht, ganz bestimmt.«
»Das glaub ich auch«, sagte Patrizia an der Tür. Sie sah, wie Ediths Hand mit der Zigarette zitterte.
»Ja. Bestimmt. Aber so … So waren wir allein, und die Polizisten haben uns verdächtigt und unsere Mitarbeiter. Sie haben überhaupt nichts begriffen, sie wollten nur so schnell wie möglich die Akte schließen. Vorbei. Zehn Jahre Zorn sind genug.«
Mit der Zigarette im Mund stand sie auf, nickte Patrizia zu, sah zum Tisch mit den Zeitungen und inhalierte noch einmal, bevor sie die halb gerauchte Zigarette ausdrückte. »Wir müssen die Gegenwart bewältigen, das erwartet Leo von uns. Du machst Kaffee, ich wasche mir die Hände, und dann rede ich mit unseren staatlich geprüften und von unseren Steuergeldern bezahlten illegalen Mithörern.«
Zwei Minuten später saß sie wieder an ihrem Schreibtisch und wählte vom Festnetz aus eine Nummer. Eine Sekretärin erklärte, die stellvertretende Lokalchefin sei in einer Konferenz, woraufhin Edith Liebergesell sie bat, Mia Bischof auszurichten, wie wichtig und unaufschiebbar der Anruf sei. Sie würde in zehn Minuten noch einmal anrufen. In der Zwischenzeit brachte ihr Patrizia den Kaffee, schwarz mit einem Stück Zucker. »Du nimmst die U-Bahn und fährst in die Augustenstraße. Wir wiederholen Leos Aktion. Ich will, dass wir wissen, wo sie hingeht und mit wem sie sich trifft. Wenn sie dich bemerkt, redest du mit ihr. Halt sie hin, schau, wie sie reagiert, ruf mich an.«
»Ich hab gedacht, wir sollen nicht telefonieren.«
»Ich tu’s trotzdem, entscheidend ist, was wir sagen. Du rufst mich an und sagst mir, deine Ärztin hätte dir geraten, zu Hause zu bleiben und zwei Tage auszuspannen. Dann weiß ich, du hast sie getroffen und ihr redet miteinander. Kein Hinweis, wo ihr seid, nichts sonst. Du bist allein auf dich gestellt. Du gehst in keine privaten Räume und nach achtzehn Uhr nirgendwo mehr hin. Ich besorge mir ein Prepaid-Handy, dann kannst du mich von einem öffentlichen Telefon jederzeit erreichen.«
»Glaubst du, das stimmt, dass wir abgehört werden?«, sagte Patrizia und trank aus ihrer Teetasse. Im Vergleich zu den im Grizzleys beliebten bunten Getränken mit unberechenbarer Wirkung hielt sie Kaffee in allen Variationen für ein Teufelsgesöff.
»Möglich wäre es.«
»Cool.«
»Wir werden überwacht, Patrizia. Wir werden überfallen und mit dem Tod bedroht.«
»Entschuldige, das wollt …«
»Das Wichtigste ist, dass Leo wieder gesund wird.«
»Ja.«
»Und dass wir uns nicht verrückt machen lassen.«
»Ja.«
»Und dass ich noch einen Kaffee kriege.«
Patrizia nahm ihr die schwarze Tasse aus der Hand und eilte in die Küche.
»Noch mal ich, Liebergesell«, sagte sie ins Telefon. »Die Frau Bischof, bitte.« Die Sekretärin stellte die Verbindung her.
»Hallo?«
»Wir müssen uns dringend unterhalten, Frau Bischof.«
»Geht’s später? Wir sind arg unter Druck.«
»Wir auch, Frau Bischof. Sie haben den Artikel heute in Ihrem Lokalteil gelesen.«
»Selbstverständlich, ich habe ihn redigiert.«
»Was da steht, basiert auf den Informationen, die Sie von der Polizei erhalten haben.«
»Und was wir selbst recherchiert haben.«
»Wo haben Sie recherchiert?«
»An den Orten, die uns die Polizei genannt hat.«
»Aber Sie haben nichts Neues herausgefunden«, sagte Edith Liebergesell und schob eine Akte beiseite, um Platz für ihren Schreibblock zu schaffen. »Keine Hinweise auf die Täter, keine Aussagen von Zeugen.«
»Wir konnten keine Hinweise auf bestimmte Täter finden, deswegen haben wir das auch nicht geschrieben.«
»Obwohl die Polizei Sie auf die Möglichkeit von bestimmten Tätern hingewiesen hat.«
»Wir schreiben nie eins zu eins die Polizeiberichte ab, schon gar nicht bei größeren Vorkommnissen.«
»Haben Sie mit der Polizei gesprochen?«
»Nein, mein Kollege, der in dieser Woche für den Polizeibericht zuständig ist.«
Edith Liebergesell betrachtete Patrizia, die die dampfende, schwarze Tasse Kaffee hinstellte und ihren Mantel und ihre gefütterten Schuhe angezogen hatte. Sie wartete auf weitere Anweisungen.
»Sie haben Ihrem Kollegen nicht gesagt, dass Herr Kreutzer sich mit Ihnen getroffen hat.«
Mia Bischof erwiderte nichts.
»Der Polizei haben Sie es erzählt, und die Polizei hat es Ihrem
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