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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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eine neue Richtung, Patrizia, und ich kann dir nicht sagen, ob uns das was bringt und wir Leo damit helfen können.«
    Diesmal stippte sie eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie mit dem Feuerzeug an. Hastig inhalierte sie dreimal hintereinander und drückte die Zigarette in dem leeren Glasaschenbecher aus. »Schmeckt grauenhaft.«
    »Wo ist Süden?«, fragte Patrizia.
    »Er war in Dennings Wohnung und wartet jetzt auf die Adresse der Frau.«
    »Aber eigentlich sollen wir den Fall vergessen.«
    »Ja.«
    »Machen wir aber nicht.«
    »Ich weiß nicht.«
    Vor Patrizia lagen vier im Lokalteil aufgeschlagene Tageszeitungen mit Berichten und einem Foto vom Überfall auf Leonhard Kreutzer. Das Bild zeigte einen lächelnden älteren Herrn mit einer roten Krawatte, das aus einem Album von Edith Liebergesell stammte und bei einem Fest in der Detektei aufgenommen worden war. Der Name der Detektei wurde in dem Artikel erwähnt. Verbunden mit dem Aufruf an Zeugen, sich zu melden, hatte die Polizei als möglichen Tatort die Gegend um den Rotkreuzplatz in Neuhausen genannt und als Auffindungsort des Opfers die Realschule an der Petrarcastraße unweit der U-Bahn-Station Hasenbergl. Motive für den Überfall seien bisher nicht zu ermitteln gewesen, von den Tätern fehle jede Spur, das Opfer sei schwer verletzt und nicht ansprechbar.
    Mit geschlossenen Augen sagte Edith Liebergesell: »Ich habe Angst vor etwas, das ich nicht begreife. Und ich muss dauernd an meinen Sohn denken, was ich grad gar nicht gebrauchen kann. Tut mir leid, mein Schatz, ich mein’s nicht so.«
    Sie öffnete die Augen und sah zu Patrizia hinüber. »Ich muss dir was verraten. Heuer hatte ich zum ersten Mal die Vorstellung, dass ich loslassen kann. Dass ich an Ingmars Todestag an ihn denken und gleichzeitig akzeptieren kann, dass er tot ist und seine Mörder nie gefasst wurden und nie mehr gefasst werden. Das war so eine starke Überzeugung, wie eine Befreiung, wenn das nicht das verkehrte Wort dafür ist. Ich saß in meiner Wohnung, trank Rotwein, verhedderte mich mal wieder in meinen schrecklichen Erinnerungen und auf einmal … Auf einmal sah ich die vielen Kerzen und dachte: Das Leben hat ihn mir geschenkt und wieder genommen, wir konnten nicht verhindern, dass er vor seiner Zeit gehen musste, und das werde ich nie verstehen. Aber ich kann trotzdem weiter existieren, ohne ihn, ich hatte ihn ja, acht Jahre lang. Er war da, und wir waren zusammen. Und jetzt … jetzt ist er nicht mehr da, und wir sind immer noch zusammen, auf eine andere Weise, aber nicht weniger eng und wahrhaftig. So war das in diesem Moment. Dann klingelte es an der Tür, und ich dachte, das ist mir jetzt egal, ich trete grade in einen neuen Lebensabschnitt ein, endlich, nach so vielen Jahren. Aber das Klingeln hörte nicht auf. Also ging ich zur Tür, machte auf, und da stand unser Süden und sagte, es ist was passiert. Hab ich dir das nicht schon alles erzählt?«
    »Nein, Edith.«
    »Ehrlich? Seit zwei Tagen rasen die Gedanken in meinem Kopf wie in einem Kettenkarussell, ich weiß schon gar nicht mehr, was ich sage und was ich denke und was ich als Nächstes tun muss.«
    »Soll ich dir einen Kaffee kochen?«
    »Gute Idee. Und was wollte ich jetzt tun?«
    »Die Adresse einer Frau raussuchen«, sagte Patrizia und stand auf. »Du bist echt überzeugt, dass die Mörder deines Jungen nie mehr gefunden werden?«
    »Bei der Fahndung sind von Anfang an zu viele Fehler passiert. Es ist, wie es ist. Die Polizei hat versagt, aber wir konnten nichts beweisen. Vielleicht wären wir sonst vor Gericht gegangen, mein Mann und ich.«
    Patrizia machte sich auf den Weg zur kleinen Küche, die vom Flur abzweigte. »Dein Junge galt doch als vermisst. Hatte Süden nichts mit dem Fall zu tun?«
    »Frag ihn bloß nicht danach.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil er sich Vorwürfe macht, heute noch. Er war nicht da, er war in Urlaub, sein erster seit ungefähr zehn Jahren, wie er immer behauptet. Du weißt doch, dass er nichts vom Verreisen hält, aber damals hat ihn eine Freundin überredet, mit ihm nach Kreta zu fliegen. Flugangst hat er auch noch. Aber er ist geflogen. Und er blieb drei Wochen dort. Als er zurückkam, war alles schon vorbei. Ich weiß nicht, ob er die Täter überführt hätte. Weiß ich nicht.«
    Sie steckte sich wieder eine Zigarette an, behielt das Feuerzeug in der Hand, blies den Rauch über den Schreibtisch. »Aber ich bin überzeugt, er hätte nicht so viele Fehler gemacht,

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