M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
kommunalen Auftraggeber? Die Stadt, den Freistaat, einzelne Behörden, Landkreis-Verwaltungen. Politische Organisationen.«
»Doch. Sicher. Schon. Aber das ist was anderes, die Verhandlungen mit den Auftraggebern führen unsere beiden Chefs. Ich bin für die Umsetzung zuständig, fürs Entwickeln, für das, was möglich ist, und das, was möglich gemacht werden muss. Unabhängig von irgendwelchen politischen Verhältnissen.«
Grüße an Albert Speer, dachte Süden und sagte: »Wir haben Hinweise, dass Mia Mitglied einer rechten Organisation sein soll.«
»In welcher denn?«
»In einem sogenannten Mädelring.«
»Mädelring? Klingt nach Kindergarten. Davon weiß ich nichts, und jetzt muss ich los.«
»Mia hat Sie nie gefragt, ob Sie in ihrer Organisation mitmachen möchten.«
»Diese Organisation existiert nicht. Nein, sie hat mich nicht gefragt.«
»Das glaube ich nicht.«
»Ihr Problem.«
»Ihres auch«, sagte Süden. »Sie sind einer der wenigen Menschen, die den vermissten Siegfried Denning gekannt haben. Sie sind eine Zeugin, Sie sind die beste Freundin von Mia. Und es ist eine Sache, der Detektei und mir nicht bei der Suche zu helfen. Aber Sie werden Probleme bekommen, wenn sich herausstellt, dass Siegfried Opfer rechter Gewalt geworden ist und Sie rechtzeitig Hinweise hätten liefern können. Niemand wird Ihnen glauben, dass Sie keine Ahnung hatten.«
»Langsam, lieber Mann. War das eine Drohung? Was wollen Sie von mir? Stehlen mir meine Mittagspause und fangen dann an, mir zu drohen? Geht’s noch?«
»Ich drohe Ihnen nicht. Ich bin hier, weil Ihre Freundin mich dafür bezahlt, ihren Freund wiederzufinden. Was soll ich ihr antworten, wenn sie meinen Bericht liest, in dem auch das Protokoll unseres Gesprächs stehen wird, und wenn sie behauptet, ich hätte alles erfunden, weil sie Ihre Aussagen nicht glauben kann. Soll ich sagen: Ja, ich habe alles erfunden, weil es mein Hobby ist, sechsundzwanzig Buchstaben in beliebiger Reihenfolge zusammenzusetzen und daraus Protokolle zu basteln? Andere setzen Puzzles zusammen oder sammeln Briefmarken, ich spiele mit Buchstaben. Tut mir leid, ich bin halt ein verspielter Mann.«
»Sind Sie betrunken?« Isabel Schlegel zog ihren Zopf aus dem Anorakkragen und strich an ihm entlang. »Ich lass mich doch von Ihnen nicht beleidigen.« Sie sah zur Kaffeemaschine, wo die Bedienung hantierte. »Esther, zahlen, bitte.«
»Sie sind eingeladen«, sagte Süden. »Was hat Mia zu Ihnen gesagt? Wobei hätte sie gern Ihre Teilnahme? Wozu wollte sie Sie überreden? Ich suche nach einem Menschen, den Sie kennen und dessen Leben wahrscheinlich in Gefahr ist. Das ist keine moralische Keule, Frau Schlegel, das ist nur eine Tatsache im Dunkeln, und ich bin für die Laternen zuständig. Helfen Sie mir beim Anzünden.«
»Da war nichts. Sie wollte … Sie hat mich ein paarmal gefragt, ob ich ihr in der Kindergruppe helfe. Ich wohne ja gleich um die Ecke. Und Mia macht da viel ehrenamtlich, sie hat manchmal einen fast altbackenen Zug an sich, nach dem Motto: Kinder sind wichtig, Mütter sind wichtig, Familie ist wichtig. Solche Sachen. Da bin ich irgendwie ganz anders.
Ist vermutlich kein Zufall, dass ich keine Kinder hab, und ich glaub, ich will auch keine. Mein momentaner Freund hätte schon gern eines oder sogar zwei. Was soll ich machen? Ich kann nicht gut mit Kindern. Und eine Familie haben, zu Hause sitzen, tagaus, tagein immer derselbe Trott, das kenne ich alles von meiner Mutter. Sie hat drei Kinder geboren, ich bin die Jüngste. Meine Mutter hat geschuftet, weil mein Vater nur unterwegs war, das kennt man. Er war Angestellter bei der Bahn, immer auf Achse. Eine Familie zu haben war nie mein Ziel.
Mia hätte wahnsinnig gern ein Kind, aber es klappt nicht. Adoptieren will sie keines, dem traut sie nicht, sagt sie, da weiß man nie, was man kriegt. Das ist alles. Sie hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, was für die Kinder zu tun, und ich habe ihr erklärt, dass ich erstens wenig Zeit habe und zweitens nicht geeignet bin. Warum ist das so wichtig? Das ist doch toll, dass sie sich so kümmert, so selbstlos. Sie ist auch eingespannt bei ihrer Zeitung, hat jeden Tag Termine, auch am Wochenende, sie schreibt viele Artikel immer noch selber, obwohl sie stellvertretende Lokalchefin ist und eigentlich andere Dinge zu tun hat. Sind Sie jetzt schlauer?«
»Etwas«, sagte Süden. »Über konkrete politische Aktionen haben Sie bisher nie gesprochen.«
»Hören Sie mir nicht
Weitere Kostenlose Bücher