M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
gewöhnungsbedürftig. Eine Stürmerin vor dem Herrn, keine Angst vor den Gegnern, und die Gegner waren natürlich Jungs, sie war das einzige Mädchen auf dem Spielfeld, immer. Aber die Jungs hatten sie gern dabei, sie hatte Talent, auf dem Gebiet also auch. Wäre sie heute jung, würde sie wahrscheinlich in der Frauennationalmannschaft spielen. Die hat was drauf, die Mia. Aber das wollen Sie alles gar nicht wissen, Ihnen geht’s um den Taxifahrer.«
»Mir geht’s auch um Ihre Tochter, Frau Bischof.«
»Warum noch mal ist der Taxifahrer verschwunden?«
»Das wissen wir nicht. Er hat keine Nachricht hinterlassen.«
»Das machen Selbstmörder selten.«
Jetzt fehlten Süden die Worte.
»Er war doch krank, oder nicht?«, sagte Hedwig Bischof.
»Davon hat Ihre Tochter uns nichts gesagt.«
»Ich weiß nicht, was er hat. Ich erinnere mich aber genau, dass Mia meinte, er wäre in jüngster Zeit schlecht drauf und angeschlagen. Etwas in der Richtung.«
»Das bedeutet nicht, dass er sich umbringen will.«
»Nein.« Dann: »Das war nur meine Interpretation, entschuldigen Sie. In meinen Ohren klang das, was Mia über ihn sagte, bedrohlich. Ich dachte, der Mann ist schwermütig und deshalb gefährdet. Wahrscheinlich ist das völlig abwegig, vergessen Sie es wieder. Mehr kann ich Ihnen nicht über den Mann sagen. Außer halt, dass Mia ihm sehr nahestand, das hat mich überrascht und auch gefreut. Ist schon unheimlich, dass er spurlos verschwunden ist. Und es gibt überhaupt keine Hinweise? Mia hat auch keine Ahnung?«
»Sie ist genauso ratlos wie Sie«, sagte Süden. »Denkt Ihre Tochter politisch wie ihr Vater? Kennt sie seine Freunde?«
Diesmal ließ Hedwig Bischof fast eine Minute verstreichen. Reglos wie bisher stand sie vor dem kleinen Fenster mit der Gardine in der Mitte, den Blick unverwandt auf Süden gerichtet. »Einige. Vermutlich. Wir reden über so was nicht.«
»Sie sprechen nicht über Politik.«
»Nein.«
»Ihr Ex-Mann hat Kontakte zur rechten Szene.«
»Wir waren nicht verheiratet.«
»Mias Vater hat Kontakte zur rechten Szene.«
Sie fragte sich, warum er die Frage wiederholt hatte. »Wie ich Ihnen erklärt hab: Er ist geprägt von seiner Familie.«
»Und er prägte auch seine Tochter.«
»Das weiß ich nicht.«
»Sie wissen es nicht.«
»Solche Sachen interessieren mich nicht, wie oft muss ich das wiederholen?«
»Ihr Desinteresse ist eine andere Geschichte, Frau Bischof«, sagte Süden. »Ich muss wissen, ob Ihre Tochter in ähnlichen Kreisen verkehrt wie ihr Vater.«
»Fragen Sie sie.«
»Das haben wir getan.«
»Und?«
»Sie streitet es ab, aber wir glauben ihr nicht.«
Mit einer undefinierbaren Geste strich sie durch die Luft und verschränkte wieder die Arme, presste sie an ihren Körper. »Warum nicht?«
»Sie lügt uns an.« Süden steckte Block und Kugelschreiber in seine Jackentasche und machte dabei einen für seine Verhältnisse geradezu lässigen Eindruck. Er wippte in den Knien und schüttelte launig den Kopf. Ein Schauspiel, das er nie vorher geprobt hatte. »Das begreife ich nicht. Wieso sagt sie mir nicht, was sie denkt und macht? Sie hat nie etwas angestellt, sie ist nicht vorbestraft, sie ist keine Gewalttäterin, sie spricht vermutlich nur aus, was Hunderttausende in Deutschland denken. Warum ist sie also mir gegenüber so zurückhaltend? Glaubt sie, ich begreife nicht, was sie meint? Glaubt sie, ich würde sie verurteilen? Ich verurteile niemanden, ich bin kein Richter. Die Dinge, die in diesem Land falsch sind, muss man ansprechen dürfen, auch wenn viele das nicht hören wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre Tochter darüber mit Ihnen nicht spricht.«
»Wenn Sie meinen.«
»Sie tut es, und sie nimmt kein Blatt vor den Mund.«
»Das ist wohl wahr. Aber was hat das alles mit dem verschwundenen Mann zu tun?«
»Er denkt wie Ihre Tochter«, sagte Süden, bemüht, seine Maske nicht zu verlieren. »Möglicherweise ist er einem Verbrechen zum Opfer gefallen.«
»Davon hätte meine Tochter doch eine Ahnung, oder nicht? Ein Verbrechen ist ausgeschlossen, dann wär Mia doch längst bei der Polizei gewesen. Sie war aber nicht bei der Polizei, das weiß ich, das hat sie mir gesagt.«
»Sie wussten, dass sie eine Detektei beauftragt hat.«
Hedwig Bischof nickte. »Sie hat mir strikt untersagt, ein Wort darüber zu verlieren.«
»Haben Sie Siegfried Denning kennengelernt?«
»Nein.« Dann: »Ich weiß nur, dass er zwei verkrüppelte Finger hat.«
Seine
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