Macabros 005: Die Schreckensgöttin
Menschen dachten.
Merthus, der ein guter Freund des Verlegers war, hatte die
Bekanntschaft zwischen Hellmark und Patrick vermittelt. Sie hatten
sich brieflich und telefonisch kennengelernt und Patrick hatte
versprochen, die erste Ausgabe von »Amazing Tales« noch vor
Erscheinen als Blaupause zu schicken, damit Hellmark sich einen
Eindruck davon machen könne.
Hellmark kam es in erster Linie darauf an, zu sehen, was Patrick
und seine Leute aufgestöbert hatten, und ob diese neuartige
Zeitschrift wirklich für ihn eine Hilfe sein konnte, auf
Menschen zu stoßen, die über besondere Talente
verfügten. Vielleicht konnte er auch Bedrängten zu Hilfe
kommen, die von finsteren Mächten manipuliert wurden und um die
sich niemand kümmerte. Er hoffte auch auf Hinweise auf die
Schwarzen Priester zu stoßen. Wo andere einfach darüber
hinweg lasen, vermochte er mehr zu erkennen. Denn ihm waren die
Hintergründe bekannt. Er las die Artikel unter ganz anderen
Voraussetzungen.
Er begann gleich mit der Lektüre, während Carminia den
Kaffeetisch abräumte.
Es war ein Bericht über die Lusitania. Dieses Passagierschiff
war während des Ersten Weltkriegs unter mysteriösen
Umständen versenkt worden. In den letzten Jahren hatte es immer
wieder Veröffentlichungen in Büchern und in Zeitschriften
über die Lusitania gegeben. Zahlreiche Autoren versuchten sich
an dem Thema. Taucher waren auf den Meeresgrund hinabgestiegen, um
nach Spuren zu suchen, die eventuell die Wissenschaftler wie
Mosaiksteinchen zusammenfügen konnten, um daraus das Schicksal
des Schiffes ablesen zu können.
Zahlreiche Theorien waren aufgestellt worden. Doch keine hatte
allen Prüfungen standgehalten.
Patrick kam von einer ganz anderen Seite. Er veröffentlichte
die Passagierliste und stellte die Behauptung auf, daß eine
Person unter den Anwesenden gewesen sein müßte,
derentwegen ein ganzes Schiff sinken und Hunderte unschuldiger
Menschen sterben mußten.
Unsichtbare Mächte hatten hier ihre Finger im Spiel.
Noch konnte Patrick es nicht beweisen. Schritt für Schritt
wollte er sich vorarbeiten, wollte die Lebensgeschichte jedes
einzelnen Passagiers nach so langer Zeit aufrollen und bis ins Detail
durchleuchten. Ob es ihm gelang, mußte man abwarten. Die
Geschichte von der Lusitania war in mehrere Folgen geplant. Über
eine genaue Zahl der Fortsetzungen hatte Patrick sich nicht
festgelegt. Er sagte in einer Fußnote, daß dies auch
unmöglich sei. Welche Schwierigkeiten ihm und seinen Reportern
bei den Recherchen in den Weg gelegt würden, waren nicht
vorauszusehen.
Angetan war Björn auch von der Geschichte des Mannes, der
nach einem schweren Flugzeugunglück als einziger lebend aus den
rauchenden Trümmern geborgen worden war. Seit dieser Zeit
verfügte er über ein phänomenales Gedächtnis.
Alles, was er seit jener Zeit las, konnte er nicht mehr vergessen. Er
war zu einem lebenden Lexikon geworden.
Und dann stieß Björn Hellmark auf die Story von dem
Mann, die Richard Patrick betitelt hatte: »Die unglaubliche
Geschichte des Mister L.«
Gleich zu Beginn des Artikels wies Patrick darauf hin, daß
er den vollen Namen der Hauptperson nicht nennen könne, um sie
nicht zu gefährden. Er verschwieg auch den Ort, wo Mister L.
wohnte. Er siedelte seine Geschichte im Häusermeer von New York
an, sagte, daß dies die einzige Lüge sei, in einer Story,
die mehr als phantastisch anmutete.
Mister L. kam selbst zu Wort. Wenn man ihm glauben wollte, war er
als dreiundzwanzigjähriger Mensch von seiner Wohnung weggegangen
– und war nicht wieder zurückgekehrt. Alle Nachforschungen
nach seinem Verbleib verliefen im Sand. Plötzlich – vor
zwei Jahren – tauchte Mister L. wieder in New York auf. Er
suchte Freunde, Bekannte und seine Schwester auf – und alle
glaubten, einen Geist vor sich zu sehen. Denn in der Zwischenzeit
waren dreißig Jahre vergangen!
Wo war Mister L. gewesen?
Er konnte es nicht beantworten. Er vermochte nicht einmal einen
Anhaltspunkt zu geben.
Er wußte es einfach nicht.
Dreißig Jahre seines Lebens waren einfach aus dem
Gedächtnis gestrichen.
Als Dreiundfünfzigjähriger war er
zurückgekommen.
Alt und grau und heruntergekommen.
Jedermann hielt ihn für verrückt.
Patrick und ein Mitarbeiter seines Verlages hatten versucht,
Einzelheiten über die dreißigjährige Abwesenheit
zusammenzutragen. Es war ihm offensichtlich nicht gelungen.
Der Bericht über Mister L. elektrisierte Hellmark.
Was für ein Mann war das?
Er
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