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Macabros 014: Knochensaat

Macabros 014: Knochensaat

Titel: Macabros 014: Knochensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Shocker
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war.
    Das Mädchen hatte sogar den Unterarmknochen durch das
fadenscheinige Gewebe schimmern sehen.
    »Er hat überhaupt kein Fleisch, keine Haut auf seinen
Knochen gehabt«, erklärte sie. »Es war der Tod,
glauben Sie mir. Er hatte sich als Mensch verkleidet!«
     
    *
     
    Sie suchten den Mann mit dem Schlapphut.
    Aber sie fanden ihn nicht!
    Dabei war er zum Zeitpunkt, als die Polizei das Protokoll aufnahm,
nur zwei Straßenzüge vom Ort des Geschehens entfernt.
    Der Hagere, der aussah, als hätte er seine Kleidung schon
seit Wochen nicht mehr vom Körper genommen, war James Owen.
    Er kam sich vor wie ein Gejagter.
    Seit einem Tag hielt er sich hier im Hafen auf. In der letzten
Nacht war das Schiff eingelaufen, auf dem er vom Kapitän
gnädig mitgenommen worden war.
    Er hatte hart gearbeitet, aber es war ihm gelungen, das
schreckliche Geheimnis, das er mitgebracht hatte, zu verbergen.
    Doch die Zeugen der grausigen Begegnung wurden nun immer
deutlicher an seinem Körper. Der Fluch hatte ihn getroffen. Er
war in das Heiligtum eines Gottes eingedrungen. Der Fluch war wirksam
geworden.
    Ernest Tragon hatte den Fluch geerntet, Owen das Grauen, die
körperliche Auflösung.
    Aber er hatte sich damit abgefunden, und brachte die Knochensaat
mit. Das war sein Schicksal. Er wollte es so lange wie möglich
vor den anderen Menschen verbergen und kam auf die absurdesten Ideen.
Er brauchte Handschuhe, um seine rechte Hand zu verbergen. In einem
Ramschladen besorgte er sich welche.
    Es gab nur eine einzige junge und adrette Verkäuferin in Blue
Jeans, die beim Bücken aus den Nähten zu platzen
schienen.
    Das Girl war rotblond und hatte das dichte Haar auf den Schultern
liegen. Zwei junge Burschen stöberten in einem Berg
amerikanischer Parkas und Blue Jeans, die ein geschickter Kaufmann en
gros aus Armeebeständen aufgekauft und an einzelne Händler
abgegeben hatte.
    James Owen glaubte sich unbeobachtet, als er am Handschuhstand
kramte und ein Paar herauszog, die in etwa seiner Größe
entsprachen.
    Schnell schlüpfte er hinein.
    Im gleichen Augenblick sah die junge Verkäuferin zu ihm
herüber. Sie erblickte die fleischlose Knochenhand, die
skelettierten Finger, den nackten Unterarmknochen…
    Es gab ihr einen Stich durch den ganzen Körper. Der Anblick
war so furchtbar, daß sie drei Sekunden lang die Augen
schloß. Dann wollte sie noch mal hinsehen, ob der Spuk noch
vorhanden war. Doch der Mann mit dem Schlapphut und der
fadenscheinigen Hose verließ das Geschäft, ohne zu
bezahlen.
    James Owen hatte keinen Penny in der Tasche. Die Verkäuferin
war perplex. Sie zögerte zu lange.
    »Da… hat einer etwas mitgenommen… ein Dieb…
lauft ihm nach, schnell«, kam es stockend über ihre
schöngeschwungenen Lippen. »Ich rufe die Polizei!«
    Aber als die beiden jugendlichen Interessenten für Blue Jeans
an der Tür auftauchten, war der Dieb verschwunden. In der engen
Gasse gab es viele Unterschlupfmöglichkeiten, Hinterhöfe,
Ecken und Nischen, Wirtshäuser, die sich bis zum Hafen
hinunterzogen.
    Die Polizei kam, aber sie fing den Dieb auch nicht.
    Zum zweiten Mal war der Mann mit der Knochenhand in Erscheinung
getreten. Von anderer Seite her flatterte dem Sachbearbeiter im
Revier die Beschreibung des Flüchtigen auf den Tisch, und
diesmal nahm der Inspektor nicht mehr an, daß Dorothy Aigens
ihre Geschichte nur aus den Fingern gesogen hatte.
    Hier stimmt etwas nicht!
    Am gleichen Tag wurde einem Inhaber einer Imbiß-Bude Geld
gestohlen. Der Mann konnte den Flüchtling beschreiben. Er
wäre hager und schlecht gekleidet gewesen.
    Wieder identifizierte man eindeutig den Mann mit dem
Schlapphut.
    James Owen aber brauchte Geld. Den ganzen Tag über trug er
einen inneren Kampf mit sich aus. Wie durch ein Wunder war er wieder
zurückgekehrt in die Heimat, und nun sollte er hier vor die
Hunde gehen?
    Seine Frau, Diana, hatte die letzte Post vor zwei Jahren bekommen.
Damals hatte er aus Singapore geschrieben und die Hoffnung
geäußert, daß dies seine letzte Seefahrt sein und er
als reicher Mann zurückkommen werde.
    Jetzt stand er vor einer Telefonzelle in Southampton, und das
fremde, erbeutete Geld klimperte zwischen seinen knochigen
Fingern.
    Die Telefonnummer kannte er noch auswendig: 8 17 65 39. Diese
Nummer in Andover war sein eigener Anschluß.
    Owen leckte sich über die aufgesprungenen Lippen. Der Hunger
wühlte in seinen Eingeweiden. Er fühlte sich schwach und
hätte außer den Moneten auch noch ein Würstchen oder
ein halbes

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