Macabros 014: Knochensaat

doch noch in Genf und…«
    »Ich werde sofort abreisen.«
     
    *
     
    Er konnte manches möglich machen, was einem Normalsterblichen
unmöglich war.
    »Du willst dich wirklich auf den Weg machen?« fragte
eine Stimme in Hellmarks Bewußtsein.
    Er erschrak nicht. Die Stimme aus dem Jenseits gehörte Al
Nafuur. Der geheimnisvolle Zauberpriester war ein Geisteswesen, das
zu ihm Kontakt aufgenommen hatte. Niemand außer Hellmark konnte
die Stimme vernehmen.
    »Ich kriege das unbestimmte Gefühl nicht los, daß
da etwas faul ist, Al Nafuur. Oder irre ich mich?«
    »Folge deiner Ahnung, Björn! Es ist die Stimme deines
Blutes, die dich unruhig werden läßt. Nicht jeder
verfügt über eine solch feine Antenne, die Dinge zu
erkennen.«
    »Du weißt mehr?«
    »Man soll seine Intuitionen nicht unterdrücken«,
lautete die einfache Erwiderung.
    Gab es das wirklich: die Stimme des Blutes? Hellmark glaubte
daran. Das Blut in seinen Adern war von besonderer Zusammensetzung.
Am reinsten hatten sich die Anlagen der alten Rasse darin erhalten,
die einst vor Jahrtausenden auf Xantilon, der versunkenen Insel,
lebte. Die wenigen Überlebenden der großen Katastrophe
hatte sich in die ganze Welt verteilt und mit anderen Völkern
vermischt.
    In der alten Zeit schon hatten die Geister und Dämonen
jenseitiger Reiche versucht, auf dieser Welt Fuß zu fassen. In
Sagen und Legenden war immer wieder von Hexen und Magiern, von
Drachen und Höllenwesen die Rede. Die damals Lebenden hatten sie
gesehen – später aber verbannte man all diese Dinge ins
Reich der Phantasie und des Märchens. Was man nicht sah, das gab
es nicht. Aber es gab sie, die unsichtbare Welt. Und die Geister, die
damals gegen das Bollwerk Xantilon angerannt waren, hatten sich nur
zurückgezogen, formierten sich neu – und zeigten jetzt
wieder, im zwanzigsten Jahrhundert, ihr wahres Gesicht. Zu einer
Zeit, wo die Technik mit gewaltigen Schritten vorankam, wo kein
Mensch mehr an Geister und Dämonen glaubte, würde ihr
Einfluß wieder wirksam, sahen sie ihre Chance, das zu
vollenden, woran sie seinerzeit gehindert wurden.
    Die Menschen merkten davon nichts. Nur einer registrierte mit
bewunderswertem Scharfsinn die Zeichen der Zeit: Björn Hellmark.
Seine besonderen Fähigkeiten nutzten ihm im Kampf gegen die
Eindringlinge, die er bekämpfte, wo immer er sie entdeckte, wo
immer er sie fühlte.
    An vielen Orten gleichzeitig konnten sie auftauchen. Er konnte
nicht überall sein, aber im Vergleich zu einem anderen Menschen
hatte er die Chance, wenigstens an zwei Orten zur gleichen Zeit
auftauchen zu können.
    Seit seinem ungewöhnlichen Unfall verfügte er über
diese Gabe und setzte sie ein, wo immer er es für notwendig
hielt.
    Sobald eine bestimmte Ahnung ihn erfüllte, gab er dem
unerklärlichen Drängen nach. Als er von der eigenartigen
Geschichte in Southampton hörte und durch Richard Patrick
erfuhr, daß der sich dafür interessierte, da wußte
er sofort, daß etwas nicht stimmte.
    Und seine Ahnung schien sich wieder mal zu bestätigen.
    Der fernste Ort auf dieser Welt war für ihn in den meisten
Fällen nur so weit wie der nächste Gedanke.
    Er konzentrierte sich auf die Straße und die Umgebung des
Krankenhauses, das Phil Anderson ihm angegeben hatte.
    Björn Hellmark stand am Fenster seines Arbeitszimmers und
blickte auf den Genfer See.
    Man sah dem Gesicht des braungebrannten jungen Mannes nicht an,
mit welcher Kraft er sich konzentrierte.
    Und dann sah er die Straße in Southampton, runde tausend
Kilometer von seinem Standort entfernt vor sich.
    Autos mit fremden Nummernschildern. Das Hospital hieß
»St. Mary’s«. Es lag hinter einem hohen Gitterzaun in
einem parkähnlichen Garten.
    Die Eindrücke, die er empfing, waren zunächst noch
schwach. Dann kamen zu den Bildern die Geräusche, der
Benzingestank, der in den Straßen hing, der feuchte Wind vom
Hafen.
    Hellmarks Doppelkörper Macabros entstand in Southampton auf
einem schmalen Spazierweg im Krankenhausgelände.
    Niemand wurde Zeuge der Entwicklung eines Körpers, der aus
dem Nichts entstand, für Bruchteile von Sekunden aussah wie ein
bleicher, fluoreszierender Schemen und sich dann zu einem wirklichen
Körper verdichtete.
    Der Mann, der durch den Park ging, war Björn Hellmark wie aus
dem Gesicht geschnitten.
     
    *
     
    Macabros machte sich mit der Umgebung vertraut.
    Das herrschende Dunkel kam seinem Vorhaben entgegen.
    In allen Zimmern und Fluren brannte Licht. Vereinzelt standen noch
ein paar