Macabros 014: Knochensaat
Hähnchen mitnehmen sollen, ging es ihm durch den
Sinn.
Aber alles konnte der Mensch nicht haben…
Er steckte die Münzen in den Schlitz und wählte.
Dreimal schlug das Telefon an, dann meldete sich eine weibliche
Stimme.
»Diana Owen.«
»Hallo, Diana«, sagte er rauh.
»Wer ist denn da?«
Sie erkannte ihn nicht. Seine Stimme mußte sich so sehr
verändert haben, daß Diana in der Tat nicht wußte,
wer anrief.
»Ich bin’s, James.«
»James!«
»Ich bin zurückgekommen, Diana. Ich werde nie wieder
fortgehen. Ich komme nach Hause. Noch heute nacht.«
»James!« wisperte sie nur und konnte es nicht
fassen.
*
Am nächsten Tag standen die Schlagzeilen in den
Zeitungen.
»Wer hat den Mann mit der Knochenhand gesehen?«
»Gevatter Tod geht um!«
»Ist der Tod unter uns?«
So und ähnlich lauteten sie. Dreimal war der Fremde in
Southampton aufgetaucht und einwandfrei identifiziert worden.
Man las die Berichte. Viele Leser schüttelten den Kopf,
andere grinsten amüsiert. Einige glaubten daran, und an diesem
Tag gingen bei der Polizei Hunderte von Anrufen ein, und die Anrufer
behaupteten, den Mann mit der Knochenhand gesehen zu haben, die einen
in der Straßenbahn, andere beim Einkauf, ein paar ganz
Ausgekochte sogar wie er sich als Ghoul aus einem frischen Grab
wühlte.
Der Polizei blieb nichts anderes übrig, als die angegebenen
Orte aufzusuchen. Dazu gehörte auch der Friedhof. Wie erwartet
fand man nichts. Ein paar Witzbolde kamen sich besonders intelligent
vor und verbreiteten Falschmeldungen.
In Southampton suchte die Polizei.
Vergebens.
Das war kein Wunder. Der Gesuchte hielt sich seit der letzten
Nacht nicht mehr in der Hafenstadt auf.
Noch zwei, drei Tage lang schlachtete man in den Zeitungen das
Thema aus. Die Berichte rutschten immer weiter nach hinten und wurden
kleiner. Das Interesse erlahmte. Andere Sensationen
beschäftigten die Menschen.
Die Geschichte mit dem Fremden war vorbei. Eine Zeitungsente
vielleicht, dachten die meisten. Die Journalisten wußten ja
auch bald nicht mehr, womit sie die Leute noch schockieren
sollten.
Drei Wochen vergingen, und kein Mensch redete mehr von dem Mann
mit der Skeletthand.
Da passierte etwas, womit kein Mensch gerechnet hatte.
Die kleine Dorothy Aigens erkrankte. Nichts davon geriet in die
Zeitung, obwohl die Meldung von allergrößter Bedeutung
gewesen wäre.
Blanke Knochenstellen zeigten sich an Dorothys linker Hüfte.
Das Fleisch wich zurück und verschwand, ohne daß es eine
Erklärung dafür gab. Der Hausarzt der Familie stand vor
einem Rätsel. Ein hinzugezogener Facharzt, Spezialist für
seltene Krankheiten, wußte nicht weiter.
Dorothy Aigens kam in die Isolierstation. Auch ihre Eltern wurden
dort untergebracht. War die neue Krankheit ansteckend?
Dorothy Aigens war dem Grauen begegnet, und nun griff das Grauen
nach ihr. Die Bevölkerung jedoch erfuhr nichts von dem Ereignis,
während hinter den Kulissen fieberhaft gearbeitet wurde.
Polizei und Staat waren nun erst recht an einer Aufklärung
der mysteriösen Vorgänge interessiert.
Einem gewissen Phil Anderson, der seit drei Wochen in Southampton
im Hotel Hawk untergebracht war, kam das, was an die
Öffentlichkeit drang, zu dünn vor.
Entweder wollte man die Leute nicht unnötig in Schrecken
versetzen, oder man wußte nicht recht, wie man die Probleme,
denen man sich gegenübersah, einschätzen sollte.
Phil Anderson war ein Mensch, der darauf spezialisiert war,
undurchsichtigen Dingen auf den Grund zu gehen. Der
Siebenundzwanzigjährige war ein Reporter der Zeitschrift
»Amazing Tales«, die ein amerikanischer Verleger
herausbrachte. Die Ausgabe erschien mittlerweile in zehn
verschiedenen Sprachen. Richard Patrick, steinreicher Verleger, hatte
seinen Mitarbeiterstab beträchtlich vergrößert und in
vielen Ländern arbeiteten Reporter und Korrespondenten für
ihn.
Phil Anderson stammte aus London. Lange Zeit war er dort als
Kriminalreporter tätig gewesen. Den interessantesten Fällen
der letzten fünf Jahre war er nachgegangen und hatte der Polizei
oft Material geliefert, daß man in Scotland Yard manchmal
glaubte, Anderson hätte mit den Beteiligten direkt
konferiert.
Die Erfahrungen, die er als Kriminalreporter gemacht hatte, kamen
ihm nun bei seinem neuen, bestens bezahlten Job zugute.
Richard Patrick legte Wert auf Einfühlungsvermögen und
Eigeninitiative. Beides brachte Anderson in hohem Maße mit.
Patricks Rechercheure hatten die Aufgabe, unbekannten
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