Macabros 016: Geisterheere aus dem Jenseits
für Pepe veränderte sich.
Eben noch war einsame Küstenlandschaft. Nun gab es
vertäute Boote, die unverwechselbare Silhouette von La Grande
Motte und Menschen.
Auf dem Boot waren die Freunde. Carminia schloß ihn in die
Arme.
Die Stelle im Meer, rund zehn Seemeilen entfernt, wo eben noch
Macabros mit Pepe geplaudert hatten, war leer.
Die Wellen schlugen dort zusammen, und ein uneingeweihter
Beobachter hätte geglaubt, daß in diesem Moment ein Mann
und ein Junge ertrunken seien, denn niemand tauchte mehr auf.
*
Björn Hellmark befand sich in einer Zwickmühle.
Die Stimme Al Nafuurs, des geheimnisvollen Magiers aus der
Vergangenheit, war zu einem Zeitpunkt in ihm aufgeklungen, als er
schon gar nicht mehr mit einer Hilfe seines geistigen Freundes
rechnete.
Und nun brannte es ihm unter den Nägeln.
Was sich am späten Nachmittag auf dem Dachgarten des Hotels
ereignet hatte, durfte nie wieder passieren.
Das schreckliche Ereignis, mit dem alle diejenigen nichts anfangen
konnten, die nicht unmittelbar daran beteiligt gewesen waren, hatte
Rundfunk, Fernsehen und Presse auf den Plan gerufen.
Fotografen und Reporter bevölkerten das Touristenzentrum und
hörten sich immer wieder die unglaublichen Geschichten der
Beteiligten an.
Björn Hellmark saß in einem Leihwagen und raste auf der
gutausgebauten Küstenstraße Richtung Montpellier,
während er seinen Zweitkörper gleichzeitig zum Cap
d’Agde versetzte, wo das Gutshaus der Munuels stand.
*
Von hier aus hatte das Unheil seinen Lauf genommen!
Hellmark glaubte die Zusammenhänge zu erkennen.
Bertrand Munuel hatte sich mit Schwarzer Magie beschäftigt.
Er hatte beschworen und gefordert – und seine Wünsche waren
in Erfüllung gegangen, denn er besaß einen Teil jener
rätselhaften, uralten Geisteruhr, die vor Äonen schon
Priestern, Hexern und Jüngern der Schwarzen Magie zu Diensten
gestanden hatten.
Aber Munuel war ein Fehler unterlaufen. Dafür war er mit dem
Tod bestraft worden. Es sollte wie ein natürlicher Tod aussehen,
um die Vorbereitungen der Schrecklichen, die er gerufen hatte, nicht
zu stören.
Doch die Dinge waren durch verschiedene andere Faktoren
beeinflußt worden.
Da war ein Mann, der sich das große Glück durch die
Hilfe der Dämonen erhoffte: Gerard Bollon. Wie Bertrand Munuel,
so war auch er in den Besitz eines Teils der Geisteruhr gelangt.
Doch dieses Teilstück in der Nähe eines anderen
versetzte die Schrecklichen in Panikstimmung.
Damit konnten sie geschlagen werden.
Al Nafuur hatte es ihm mitgeteilt: mindestens drei von sieben,
gruppiert um das zentrale Mittelstück, in dessen Besitz Munuel
war, wurden zur schlagkräftigen Waffe.
Die Mächte, mit denen Munuel sich eingelassen und wovon seine
Familie offenbar keine Ahnung hatte, zeigten ihre Rache.
Als Macabros vor dem Haus materialisierte, wußte er,
daß er zu spät kam.
Die Unheimlichen waren bereits da gewesen.
Der prächtige Gutshof zeigte Zerfallserscheinungen, als
wäre er schon seit hundert Jahren nicht mehr bewohnt. Die
Fenster waren verschmutzt, die Holzrahmen ausgebleicht und
unansehnlich. Die Platten der Terrasse waren gespalten und
rissig.
Türen und Fenster standen offen oder hingen windschief in den
Angeln.
Was war hier geschehen?
Macabros betrat durch das Portal die Halle.
Der Verputz bröckelte von den Wänden. Einige
Bogengänge des geräumigen Hauses waren herabgebrochen.
Macabros hörte ein leises Stöhnen.
Unter der eingebrochenen Treppe lag ein Mensch. Eine Frau. Nicole
Tosette!
Ein Funken Leben war noch in ihr.
»Was ist hier geschehen?« fragte Hellmarks
Doppelkörper die Sterbende, und er kam sich vor wie auf einem
fernen Stern.
»Plötzlich… alles zusammengebrochen… wir
wollten fliehen…« Nicole Tosettes Stimme war nur ein Hauch.
»Dann stürmten sie herein…«
Macabros’ Blick wurde hart. »Reiter? Viele
Reiter?«
»Man konnte sie… nicht zählen…«
Er strich das verstaubte Haar aus ihrem schmerzverzerrten Gesicht.
Ein schwerer Quader lag quer über ihrem Leib. Nicole mußte
seit Stunden so liegen, und niemand war auf das geisterhafte und
schreckliche Geschehen bisher aufmerksam geworden.
»Hunderte…? Tausende…? Ein ganzes… Heer! Sie
kamen von überall her… aus den Wänden, durch die
Türen und Fenster… tot, alle tot… Pascal… Alain,
seine Frau…«
Nicole Tosette hatte die grausige Auflösung dieses Hauses
miterlebt, das Sterben ihrer Angehörigen.
»Schreckliche Reiter… aus Knochen…
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