Macabros 017: Dwylup - Stadt der Monster
selbst
für seinen Komplicen zu plötzlich.
»Das Glas! Bist du verrückt. Mann!« Er stolperte.
Der schwere Spiegel schlug mit der Rückseite gegen ihn.
Er konnte ihn auffangen und verhindern, daß der Spiegel
zersplitterte.
Mit einem schnellen Sprung war der wendige, drahtige Mann vor
Carminia Brado. Die Brasilianerin stieß ihre Faust noch vor, um
den Mann zurückzuschlagen. Doch der griff ihr Handgelenk und
schleuderte die junge Frau herum. Carminias Körper schlug gegen
die Wand. Ehe sie sich versah, riß der Angreifer das Gewehr
mitsamt dem Haken aus der Wand. Der Gewehrkolben wischte durch die
Luft.
Es krachte.
Carminia wurde voll getroffen. Ein einziger Schlag genügte.
Die grazile Südamerikanerin brach zusammen. Schlaff rutschte sie
an der Wand herab.
Der dunkelhaarige Schläger musterte sie.
»Mach schon!« zischte der andere, der den schweren
Spiegel hielt.
»Schade, sie sieht gut aus. Wäre gerade richtig zum
Vernaschen.« Der erste Gauner blickte auf die schlanken,
wohlgeformten Beine.
»Mach’ keinen Unsinn! Denk an unseren Auftrag! Der
bringt ’ne anständige Stange Geld. Damit kannst du dir
jedes Weib leisten. Jetzt komm, wir müssen verschwinden, glotz
dir die Augen nicht an der Kleinen aus!«
Sein Kumpan lachte leise. Sie sahen sich beide ziemlich
ähnlich und konnten Brüder sein. Sie stammten aus einem
kleinen italienischen Grenzdorf schmuggelten, bestahlen Touristen und
schlugen sich auf anderer Leute Kosten durchs Leben. Sie stahlen auf
eigene Rechnung und führten auch Aufträge durch!
Diesmal hatte es sich in Genf für sie gelohnt. Ihr
Auftraggeber war ein unbekannter Mann, der sich für einen alten
Spiegel interessierte. Dieser Mann hatte ihnen genau die Lage des
Gebäudes und die Installationen der Alarmanlage angeben
können. Sie hatten das stromführende Kabel durchgeschnitten
und waren in den Luxusbungalow eingedrungen.
Unbemerkt verluden sie nun den erbeuteten Spiegel, von dem sie
nicht ahnten, was für eine Bedeutung er wirklich hatte, in einen
bereitstehenden Tieflader, der mit einer Zeltplane versehen war.
Der Wagen startete.
Ein Weg von rund 150 Kilometern lag vor ihnen. Sie verließen
Genf und fuhren immer am See entlang. Ihr Ziel war der Thuner See.
Hinter Guntern wartete in einer aufgegebenen Poststation ein Mann,
der es kaum erwarten konnte, den Spiegel zu erhalten.
*
Henry Burger war wieder eingenickt. Die Ärzte ließen
ihn schlafen. Es würde eine lange Nacht werden, aber keinen
drängte es danach, nach Hause zu gehen.
Sie verhielten sich ruhig, niemand sprach ein Wort.
Wenn Burger wieder zu sich kam, wie würde er auf die
Anwesenheit jener Frau reagieren, die er vor zweiunddreißig
Jahren zum letzten Mal gesehen hatte?
Würde er sich an sie erinnern?
Es war ein großes Experiment, denn die Begegnung mit Judith
Midland, die ein einschneidendes Erlebnis in seinem Dasein gewesen
war, würde möglicherweise seine Erinnerung auffrischen und
Dinge hervorlocken, die seinerzeit bedeutungsvoll gewesen waren.
Aber man mußte gerade damit auch vorsichtig sein.
Henry Burger war ein junger Mann. Er hatte sich seit damals nicht
verändert. Judith Midland aber war zweiunddreißig Jahre
älter geworden. Eine sechzigjährige Frau würde ihm
also gegenüberstehen.
*
Judith Midland kam, und die Ärzte begrüßten die
Frau, die bereit gewesen war, auf Harry Blights Drängen hin eine
solche Reise zu unternehmen, vor der Tür zum Krankenzimmer.
Der Chefarzt wies sie auf die besondere Situation hin. Aber sie
wußte schon Bescheid. Harry Blight hatte ihr Bilder des Mannes
gezeigt, der vor drei Jahrzehnten in einen todesähnlichen Schlaf
gefallen war.
Judith Midland war eine charmante Frau mit dunklen, tiefliegenden
Augen und einem vollen Mund. In ihren jungen Jahren war sie sicher
sehr attraktiv gewesen. Noch jetzt schienen ihre Beine glatt und
gutgeformt. In den Hüften war sie breiter geworden, und sie ging
ein wenig gebeugt, obwohl sie sich bemühte, es zu verbergen. Sie
war offensichtlich mit einem Rückenleiden behaftet.
»Ich hätte nie geglaubt, ihn noch mal
wiederzusehen«, erklärte sie. »Es ging damals alles
sehr schnell mit uns. Er wollte mit Gewalt in dieses Haus. Ich warnte
ihn davor. Doch er hörte nicht auf mich, obwohl ich ihm drohte,
mich von ihm zu trennen. Es gab damals jemand, der mich sehr mochte.
Als Henry fuhr, machte ich meine Drohung wahr. Ich ging zu George.
Damals hatte ich nur einen Gedanken: wenn ihm seine
Geisterjägerei
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