Macabros 017: Dwylup - Stadt der Monster

werden es brauchen… dies und die anderen… sieben
Augen gibt es… verstreut sind sie vorhanden… im
Diesseits… im Jenseits… suchen Sie sie!«
    Es klang wie eine Ermahnung, wie eine Aufforderung.
    Noch ein Hauch aus endloser Ferne. Dann Stille.
    Die Feuer prasselten.
    Von oben kam etwas herab. Rot, schwer, wie ein Kristall. Das Auge
des Schwarzen Manja.
    Er war wie gebannt. Zuckungen und Schatten, Schemen, die Bilder
formten, ein Gesicht, das…
    Es durfte nicht sein.
    Er spannte seine Muskeln an und riß die Arme hoch. Er hatte
nichts mehr zu verlieren. Selbst wenn die Stimme Henry Burgers auch
nur eine Vision, eine Vorspiegelung falscher Tatsachen durch die hier
herrschenden Mächte war, würde sich nichts daran
ändern.
    Er handelte. Wenn es eine Chance gab, war es die einzige.
    Er spürte etwas Hartes zwischen seinen Fingern. Es war kalt
wie Eis. Er riß es einfach herab, und es gab einen
peitschenähnlichen Knall.
    Im gleichen Augenblick brachen die Flammen in den
Feuerlöchern zusammen. Die Gestalten hockten wie steinerne
Götzen im Kreis, und das Licht der anderen Fackeln und abseits
liegenden Feuerstellen reflektierte auf ihren schuppigen, massigen
Körpern.
    Björn hatte keine Zeit, sich das Gebilde erst in Ruhe
anzusehen, das er da aus der Luft gepflückt hatte. Henry Burgers
Geist hatte ihm Eile eingeschärft. Daran hielt er sich
jetzt.
    Es war, als ob das rote, wie ein Diamant sich anfühlende
Gebilde in seiner Hand ihn mit neuer Kraft, mit neuem Mut
erfülle.
    Er lief aus dem magischen Kreis heraus, sprang zwischen zwei wie
erstarrt dasitzenden Monstern hindurch und jagte auf den
Höhlenausgang zu.
    Nur Sekunden blieben ihm.
    Noch ehe er die ersten Wege zum Ausgang geschafft hatte,
erfüllte schon ein furchtbares Dröhnen das Innere des
Tempels. Es hörte sich an, als wolle die Erde unter ihm
aufbrechen.
    Sie kamen hinter ihm her. Die Monster waren aus ihrem
Trancezustand erwacht und folgten ihm.
    Es rumpelte, und der Boden unter seinen Füßen
dröhnte.
    Björn floh, so schnell ihn seine Füße trugen jagte
er dem fischmaulartigen Höhlenausgang zu.
    Er war nicht so schnell, so elastisch. Er hatte das Gefühl,
eine unsichtbare Mauer zurückdrücken zu müssen.
    An den mannshohen Fackeln vorbei. Hart war der Schatten –
hart das grelle Licht des bernsteinfarbenen Himmels.
    Die enge, staubige Gasse zwischen den lehmfarbenen Gebäuden
mit den Totenkopftrophäen lag vor ihm.
    Björn Hellmark lief um sein Leben.
    Nur ein Gedanke hatte Platz in ihm, während er das rote Auge
des Schwarzen Manja fest umschlossen hielt. Weg von Dwylup!
Verhindern, daß sie nachkamen – Das Tor versperren, das
zur Monsterstadt geöffnet worden war.
    Die Gassen und Winkel zwischen den dichtstehenden Häusern
waren leer. Alle Monster hielten sich – wie Burger gesagt hatte
– in den Tempeln auf.
    Hellmark jagte auf das Ende der Gasse zu.
    Er warf nicht einen einzigen Blick zurück.
    Er wußte, daß die Verfolger nachsetzten und
aufholten.
    Er wankte und taumelte mehr, als daß er lief. Björn
erreichte die rissige, vertrocknet aussehende Mauer.
    Im braunen Staub lag etwas, das einem zusammengeknüllten
Damenstrumpf glich.
    Die Dämonenmaske!
    Sein Herz schlug schneller. Sie hatten nicht gewagt, sie an sich
zu nehmen. Sie hatten einen Bogen um sie gemacht.
    Im Laufen bückte er sich, riß die Maske empor und warf
sich nach vorn.
    Die ersten Gestalten waren auf Reichweite heran.
    Die plumpen Kolosse bewegten sich hier schneller als er mit seinem
sportlich durchtrainierten Körper, der nicht für diese Welt
konstruiert war.
    Noch ein letztes Mal die Stimme Henry Burgers:
    »Leben Sie wohl, Mister Hellmark!« Leise,
verlöschend, als wären sie durch dicke Mauern voneinander
getrennt. »Ich hab es gewußt. Sie sind der Richtige! Ich
freue mich, daß ich Gelegenheit hatte Sie kennenzulernen –
alles im Leben hat seinen Sinn.« Etwas Traurigkeit und
Sentimentalität schwang mit in diesen Worten, aber auch
Glück und Zufriedenheit. So sprach ein Mensch, der Abschied
nahm. Für immer.
    Björn erreichte die Mauer und warf sich dagegen. Er konnte
nur hoffen.
    Das Gestein war kein Gestein. Auf Anhieb traf er die Stelle, an
der sich der Punkt befand, wo die Dimensionen durchlässig
waren.
    Ein Rauschen in den Ohren… ein Sog. Hellmark flog nach
drüben. Keine Zeit verlieren. Handeln, fieberte sein Herz.
    Er warf sich sofort herum, als er in den kahlen, schwach
beleuchteten Raum stürzte, wo der Spiegel stand, der von