Macabros 021: Abraxas Fluch des Magiers
daß –
während er abwesend war – seiner Familie etwas
zustoßen könne. Entführung, ein Unfall – in
diesen Dingen war er überängstlich.
»Ja, wer ist da?« fragte sie, bereits den Schlüssel
von innen umdrehend.
»Doktor MacLean«, sagte eine freundliche Stimme.
Jutta Stokanova öffnete. Ein Mann trat über die
Schwelle. Erst in letzter Sekunde erkannte sie, daß er nicht
allein war. Zwei weitere Herren huschten ins Zimmer.
Die Augen der blonden, gutgewachsenen Frau mit dem schmalen, wie
aus Marmor herausgearbeiteten Gesicht, weiteten sich.
»Doktor MacLean? Aber… meine Herren, was wollen Sie
hier?«
Etwas Hartes wurde ihr in die Rippen gepreßt. MacLean hatte
eine Pistole in der Hand und sagte: »Sie haben nichts zu
befürchten, Madame, wenn Sie das tun, was wir von Ihnen
erwarten.«
»Doktor… was soll das?«
»Ich bin kein Doktor. MacLean war so freundlich, mir den
Vortritt zu überlassen. Das ist ein Überfall!« Der
Mann, der sich als MacLean ausgegeben hatte, trug ein dünnes
rotblondes Schnurrbärtchen. Sein Gesicht war blaß und
durch die Anspannung, unter der er stand, zeichneten sich hektische
rote Flecken darauf ab, als hätte er einen Hautausschlag.
»Ein Überfall?« Die schöne, etwas herb
wirkende Frau, stieß es tonlos hervor. »Was – wollen
Sie von mir? Geld, Schmuck?«
»Beides nicht.« Der falsche MacLean machte mit seiner
freien Hand eine kaum merkliche Geste. Seine beiden Begleiter eilten
auf das Bett zu, in dem das etwa zehnjährige Mädchen
lag.
»Nicht, nicht sie!« entfuhr es der erschreckten Mutter.
»Sie ist krank und hat Fieber, das können Sie nicht tun.
Nicht entführen! Nehmen Sie mich, aber tun Sie Ruchena nichts
an, ich…!«
Der Mann mit dem rotblonden Schnurrbart lächelte
maliziös. »Sie können ganz beruhigt sein. Madame. Wir
sind keine Unmenschen. Wir nehmen Sie selbstverständlich mit.
Mutter und Kind gehören zusammen.«
»Was wollen Sie von mir?« Jutta Stokanovas Stimme klang
trotz der Aufregung fest.
»Das werden Sie alles erfahren, Madame. Ich möchte Sie
jedoch in Ihrem eigenen Interesse bitten kein Aufsehen zu erregen. In
diesem Fall würde ich bedenkenlos von der Waffe Gebrauch machen.
Es liegt an Ihnen, ob Sie heute abend wieder hier mit Ihrer Tochter
zurück sind – oder nicht!«
Seine Stimme klang hart. Jutta Stokanova war Psychologin genug, um
zu merken, daß es dem Entführer bitterernst war.
Die beiden Männer, die mit dem falschen MacLean in das
Hotelzimmer eingedrungen waren, hatten eine zusammenfaltbare Trage
dabei. Sie waren in weiße Kittel gekleidet, und jeder dachte,
daß sie irgend etwas mit Arzt und Krankenhaus zu tun
hätten.
Sie trugen die halb im Schlaf liegende Tochter des Magiers in
einen wartenden Ambulanzwagen. Dahinter stand ein cremefarbener Ford,
in dem die Frau des Magiers Platz nahm.
Der falsche Dr. MacLean setzte sich neben sie. Am Steuer saß
ein Mann, der sich nicht umwandte und den Wagen startete.
Der falsche MacLean verband Jutta Stokanovas Augen.
Der jungen Frau kam das alles vor wie im Traum. Der raffinierte
Überfall, die fremden Männer, die in das Hotelappartement
eingedrungen waren, die sie und Ruchena entführten.
»Was Sie tun, ist grausam«, stieß die Tschechin
hervor. Der Gedanke an das kranke Kind ließ sie nicht los und
erfüllte sie mit Sorge. »Setzen Sie wenigstens das Kind ab!
Ruchena muß in ärztliche Behandlung.«
Sie hielt ihre Hände auf dem Schoß. Das Tuch um ihre
Augen wurde straff gespannt und verknotet.
»Es muß sein! Sie sollten nicht unbedingt wissen, wohin
wir fahren.« Ein leises, heiseres Lachen kam neben ihr auf.
»Es ist im Leben nie gut, wenn man alles weiß. Das schafft
Probleme. Beweis: Ihr Mann. Und was die Kleine betrifft, so machen
Sie sich keine Sorgen. Kinder kriegen manchmal plötzlich Fieber,
und man meint, sie seien krank. Stunden später haben sie das
meiste schon wieder hinter sich. So krank schien mir das Mädchen
gar nicht. Sie haben ja selbst gesehen, daß meine Freunde ein
bißchen nachhelfen mußten. Ihre Tochter war munter wie
ein Fisch.«
Jutta Stokanova kaute auf ihrer Unterlippe. Ja, sie hatte alles
gesehen. Ein mit Chloroform getränkter Wattebausch war der
Kleinen aufs Gesicht gepreßt worden, um sie am Schreien zu
hindern. Mit einer gespenstischen Lautlosigkeit war alles über
die Bühne gegangen.
Das Verlassen des Zimmers war von zwei Hotelgästen beobachtet
worden. Jutta Stokanova hätte für ihr Leben gern durch
einen Wink, durch ein
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