Macabros 021: Abraxas Fluch des Magiers
Aufenthaltsraum mit der umlaufenden
Galerie.
Auf Anhieb fand er das Bild mit der Aufschrift Lord Sheridan.
Das Haus der Sheridans, wie er es für sich genannt hatte. Das
war es.
Auf der nach oben führenden Treppe stand der dunkelhaarige
Sekretär Abraxas’ in lässiger Haltung. Ein
triumphierendes, arrogantes Lächeln spielte um seine Lippen.
Unterhalb der Treppe standen die mannsgroßen Nachbildungen
der Neger und der Menschenrassen aus der Urzeit. Lord Sheridan, oder
wer immer der Sammler und Hersteller dieser Kunstwerke sein mochte,
schien sich mit anthropologischen Studien befaßt zu haben. Das
Innere des Hauses erinnerte an ein Wachsfigurenkabinett.
Dazu paßte auch der gespenstische Lichtschein, der von einer
schwachen Ecklampe und von der auf dem ausladenden Tisch stehenden
Kerze herrührte. Hinter diesem Tisch saß Abraxas. Leicht
vornübergebeugt, als bereite es ihm Mühe, aufrecht zu
sitzen.
Björn zuckte zusammen, als er diesen Mann so erblickte.
Das sollte der große Magier sein, den er noch heute abend
auf der Bühne erlebt hatte?
Abraxas war ein alter Mann, der zitternd einen Becher in der Hand
hielt, den er langsam an den Mund führte. Abraxas’ Haar war
grau geworden und hing strähnig über seine Ohren und in die
Stirn. Grau und eingefallen war sein Gesicht, und nur die wie Kohlen
glühenden Augen schienen zu leben.
Die Kerze vor ihm flackerte unruhig und verstärkte durch das
Licht- und Schattenspiel auf dem Antlitz den Eindruck des
Unheimlichen, des Gespenstischen.
Und noch etwas lag auf der Tischplatte. Ein vertrocknetes Etwas,
das an eine welke Pflanze oder eine Wurzel erinnerte.
»Willkommen in meinem Haus«, sagte Abraxas rauh und sein
Blick suchte den Hellmarks.
»Ich nehme an, es ist nicht Ihr Haus. Sie haben es
widerrechtlich an sich genommen. Wo sind die Bewohner, Herr
Stokan?« fragte Björn als erstes.
Er ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Eine ungeheure
Spannung lag in der Luft, die er körperlich zu spüren
glaubte.
»Sie sind sehr besorgt um andere. Es geht ihnen gut, wenn
Ihnen das etwas sagt. Sie sind hier im Haus, sie sind am Leben. Aber
davon wollen wir doch jetzt nicht reden. Es geht ganz allein um Sie.
Ich habe mit Gablisczek, meinem treuen Freund und Diener, gesprochen.
Er hat mir ein paar merkwürdige Dinge über Sie
erzählt. Da bin ich neugierig geworden.« Er lachte leise,
und es klang gefährlich. »Sie sind zur Zeit der einzige
Mann in London, der mir Unannehmlichkeiten bereiten könnte, der
ahnt, was noch kommen wird. Ja, ich habe Rache geschworen, und
niemand wird mich daran hindern, die auszuführen. Auch Sie
nicht, Hellmark!«
»Ich hatte gehofft, die Begegnung mit Ihnen zu einem
Gespräch zu nutzen, das frei sein würde von Drohungen jeder
Art.«
»Abraxas führt keine Gespräche. Ich habe noch nie
ein Interview gegeben, und ich werde auch nicht bereit sein,
über das Geheimnis zu sprechen. Das haben schon andere versucht
– und sich dabei die Zähne ausgebissen.«
»Glen Robinson zum Beispiel.«
»Robinson zum Beispiel, ja.«
»Der Hausmeister hatte doch bestimmt kein Interesse daran,
etwas über Ihr Leben zu erfahren. Trotzdem haben Sie ihn
liquidiert?«
»Ob schuldig oder unschuldig, ich mache keinen Unterschied
mehr. Aber er war noch schuldig. Er ebnete einem Mann den Weg, der
glaubte, mir mein Geheimnis über meine Frau und meine Tochter
entlocken zu können. Jutta und Ruchena… sie waren die
einzigen Menschen, die ich wirklich geliebt habe. Die Hölle
hatte seinerzeit Erbarmen mit meinem Anliegen. Sie wurden
verschont… aber durch Menschenhand…« Er unterbrach
sich, schluckte heftig und führte abermals den Becher mit dem
rätselhaften Trank an die Lippen.
In Hellmark schlug eine Alarmglocke an. Die Bemerkung des Magiers
sprach Bände.
Ein Pakt – mit einem Fürsten der Finsternis? Mit
Molochos? Einem höher stehenden Dämon? Oder mit dem Satan
persönlich?
»Was war mit Ihrer Frau, Herr Stokan, was mit Ihrer
Tochter?« fragte er leise, ohne Gablisczek und die nähere
Umgebung aus den Augen zu lassen.
Abraxas blickte ihn aus halbgeschlossenen Augen an. »Jutta
und Ruchena waren vor sieben Jahren todkrank: Eine Blutkrankheit, die
kein Arzt hätte heilen können. Ich beschäftigte mich
damals schon mit Magie. Harmlose Spielereien, Taschenspielertricks,
Luftspiegelungen, Illusionen. Perfekter, als meine Kollegen das
konnten, das muß ich sagen. Das war jedoch nichts Besonderes.
Ich arbeitete mit einem Wunderkristall, den ich
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