Macabros 024: Marionetten des Schreckens
Situationen
gemeistert.«
Sie nahm die Kerze und näherte sich ihrer Tür. Die
Kabine der Freundin lag nebenan.
Es waren die Nummern 28 und 26, ziemlich am Ende des langen
Korridors.
»Das Schiff schwankt«, murmelte die Amerikanerin.
»Dabei haben die in dem Prospekt geschrieben, daß…
hick… selbst bei schwerstem Seegang die Kreiselstabilisatoren
jeden Ausgleich schaffen…«
Eve hielt sich an der Tür fest, schloß drei Sekunden
lang die Augen und setzte dann vorsichtig einen Fuß vor den
anderen, als müsse sie erst überlegen, wie das mit dem
Laufen überhaupt noch war.
»Du bist beschwipst. Eve.« Wieder lachte sie leise und
drehte den Kopf zurück, weil sie glaubte, vom Ende des Korridors
käme jemand aus dem Dunkeln auf sie zu. »Hallo? Ist da
jemand?« fragte sie, die Kerze nach vorn streckend. Bizarr und
gespenstisch wirkte das Licht- und Schattenspiel auf der
grauweißen Plastikwand. Der Schatten, den ihre Hand und ihr
rechter Arm warfen, war plump und zerflossen. Eve sah nichts, hatte
aber das Gefühl, daß dort in der Dunkelheit jemand stand,
den sie nicht wahrnehmen konnte…
Dann war dieses Gefühl plötzlich wieder weg, die junge
Frau wandte sich um und pochte leise an Dorothy O’Thails
Tür.
»Ja, wer ist da?« fragte eine Stimme von innen.
Dorothy schlief also auch noch nicht. Ob sie das gleiche dachte
wie sie? Die Gedanken an ihr Vorhaben ließen sie kichern. Sie
benahm sich wie ein kleines Mädchen.
»Ich bin’s Eve.«
»Komm ’rein! Die Tür ist nicht
abgeschlossen.«
»Na, du bist aber leichtsinnig…«, sagte Eve Gavett,
während sie die Klinke drückte und die schmale Tür
lautlos nach innen schob. Die Kabine dahinter lag völlig im
Dunkeln »Stell’ dir vor, der glatzköpfige Inder taucht
hier auf und merkt, daß die Tür nicht verschlossen ist!
Nicht auszudenken, was er dann mit dir macht…«
Eve kicherte.
Aus diesem Kichern wurde ein Aufschrei!
In dem Augenblick, als Eve Gavett die Schwelle überschritt,
schlug die Tür hinter ihr zu, als ob Zugluft herrschte.
Ein eiskalter Wind blies ihr ins Gesicht, die Kerzenflamme
flackerte und wurde einen Moment lang höher und heller…
Im gespenstisch zuckenden Licht sah Eve Gavett ein furchtbares
Bild, daß das kalte Grauen sie packte.
*
Auf dem schmalen, weiß bezogenen Bett lag ein Kopf inmitten
einer Blutlache. Der Kopf ihrer Freundin – Dorothy
O’Thail!
*
Eve Gavett erstarrte zur Salzsäule und war unfähig, sich
von der Stelle zu bewegen. Alles Leben schien aus ihrem Körper
gewichen.
Da lag noch mehr von Dorothy…
Auf dem Tisch ein Arm… In der Ecke neben dem Schrank lehnte
der Rumpf… Mitten im Raum stand ein gläserner Behälter
mit einer schillernden, zähen Flüssigkeit, daneben ein
flacher Tisch mit zahlreichen gebrauchten Instrumenten.
Diese Kälte, diese Atmosphäre, dieses Grauen war
unbeschreiblich…
Wie ein Keulenschlag traf Eve das Geschehen, ohne daß sie es
begriff. Doch sie registrierte, daß sie wie von Sinnen schrie
und ihr ganzer Körper bebte, als würde sie
durchgeschüttelt.
Die Tür wurde aufgerissen. Eve Gavett erhielt einen
Stoß in den Rücken, daß sie nach vorn taumelte und
ihren Fall nicht mehr kontrollieren konnte. Sie stürzte genau
auf das blutbesudelte Bett mit dem Kopf ihrer Freundin, und die
großen, weitaufgerissenen Augen starrten sie an und schienen
direkt auf sie zuzukommen…
Grinste Dorothy?
Eve Gavett schrie noch immer, als bereits starke Hände sie
packten, hochrissen und hinausschleppten vor die Tür.
Das ehemalige Barmädchen schluchzte und schlug um sich. Alles
um sie herum war eingetaucht in einen wirbelnden, blutigen Nebel. Sie
erkannte nicht den Mann, der sie aus dieser scheußlichen Kabine
herausgeholt hatte, die an Frankensteins Labor erinnerte.
Der blonde Mann schlug ihr mehrmals auf die Wangen.
Björn Hellmark konnte die Tobende nicht beruhigen.
Sie erkannte ihn nicht und stand unter einem Schock.
In der Umgebung wurden Türen aufgerissen. Menschen
stürzten auf den Gang. Im ersten Moment sah es für die
meisten so aus, als wolle Hellmark der um sich Schlagenden Gewalt
antun.
Pepe und Mahay tauchten auf, auch Carminia war durch den Lärm
aufgewacht und stürzte nach draußen.
Hellmark rief dem Inder etwas zu. Er sollte verhindern, daß
jemand in die Kabine Dorothy O’Thails eindrang.
Aber da waren Neugierige schneller als Mahay, der zu spät
auftauchte.
Schreie und Rufe wurden laut. Irgend jemand sagte etwas von
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