Macabros 024: Marionetten des Schreckens
einem
furchtbaren Verbrechen. Im Nu herrschte auf dem schmalen Korridor
zwischen den Kabinentüren ein wildes Durcheinander.
Von Mord war die Rede. Jemand übergab sich. Eine Frau wurde
ohnmächtig. Der Kapitän und zwei Offizieren stürzten
über die Treppen nach unten. Der Kapitän hatte nur einen
khakifarbenen Pyjama und eine Uniformjacke an.
Seine Offiziere hatten sich erst gar nicht die Mühe gemacht,
etwas über ihr Nachtzeug zu ziehen, das ebenfalls nur aus einem
hellen Schlafanzug bestand.
Alle redeten durcheinander. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die
Nachricht von dem verabscheuungswürdigen Verbrechen. Ein
unheimlicher Mörder befand sich unter ihnen…
Huarto holte Verstärkung herbei. Nur unter größter
Anstrengung war es möglich, die Kabine der Toten abzuschirmen
und weitere Neugierige fernzuhalten.
Eve Gavett wurde indessen behandelt. Der Schiffsarzt hatte ihr
eine starke Beruhigungsspritze gegeben. Bleich, mit eingefallenen
Wangen und zuckenden, blutleeren Lippen lag sie im Krankenzimmer und
bekam zum Glück von der ganzen Aufregung nichts mehr mit.
Huarto kehrte schreckensbleich aus der Kabine zurück.
»Sie waren zuerst bei ihr gewesen, nicht wahr?« wandte
der Kapitän sich an Björn Hellmark.
Der Deutsche nickte. »Ich hörte sie schreien. Da bin ich
herausgerannt und habe die Bescherung gesehen.«
»Sie haben niemand davonlaufen sehen?«
»Nein.«
Huarto nagte an seiner Unterlippe. »Eins ist merkwürdig,
Mister Hellmark.«
»Was finden Sie merkwürdig, Kapitän?«
»Ich hatte das Glück, Ihnen bereits zum zweiten Mal zu
begegnen. Und jedesmal war gerade etwas passiert, was sich nicht
erklären läßt.«
»Was wollen Sie damit sagen, Kapitän?«
»Nichts! Es ist nur so eine Überlegung…«
Huarto musterte den Deutschen dabei mit seltsamem Blick.
»Sie bringen mich mit den Ereignissen in
Zusammenhang.«
»Das habe ich nicht gesagt. Mir ist eben nur aufgefallen,
daß Sie immer schnell an Ort und Stelle sind.«
»Ich war den Ereignissen näher als Sie,
Kapitän.«
Die Blicke der beiden Männer begegneten sich.
»Sie sind mir nicht unsympathisch«, murmelte Huarto.
»Im Gegenteil! Doch Sie sind mir ein Rätsel!«
»Ich kann mir denken, was jetzt hinter Ihrer Stirn vorgeht,
Kapitän.«
»Dann sind Sie ein Hellseher.«
»Nein, aber ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Sie
wissen, Sie müßten jetzt umgehend die Polizei
benachrichtigen. Aber Sie können es nicht. Ich möchte jetzt
nicht in Ihrer Haut stecken. Sie vermuten einen perversen Mörder
auf der ’Aloha’. Ich glaube, hier liegen Sie falsch. Hier
darf und kann man nicht mehr mit normalen Maßstäben
messen. Denken Sie nur an die fremde Frau mit der Bißwunde! Es
scheint, als ob Dracula hier umgeht. Jetzt haben wir es
plötzlich mit Frankenstein zu tun. Alles ist so verworren. Die
’Aloha’ ist zu einer Art schwimmenden Sarg geworden.
Niemand weiß recht, wohin es geht und was weiter werden
soll…« Dieses Gespräch setzte Björn in der
privaten Kabine des Kapitäns fort. Er hatte Huarto darum
gebeten. »Ins Bild paßt auch, daß Sie in der Kabine
von Misses O’Thail einen Glasbehälter finden, wie er in
Frankensteins Labor angebracht ist, hier aber überhaupt nichts
zu suchen hat. Wo kommt der Glasbehälter her? Wer hat ihn
dorthin gebracht? Das sind nur zwei von vielen Fragen, die sich uns
stellen. Aber da gibt es noch etwas anderes, was mich brennend
interessieren würde: man weiß noch immer nichts über
die Fremde, deren Blut ausgesaugt wurde. Sie haben keine leere Kabine
feststellen können, und vermißt wird offenbar auch
niemand.«
»Das kann man jetzt noch nicht sagen«, murmelte Huarto.
Er goß Hellmark und sich einen Whisky nach. »Komisch, wie
wir beide hier sitzen, nicht wahr?« meinte er unvermittelt.
»Sie stellen Fragen wie die Leute von der Polizei. Sind Sie
vielleicht einer von der Sorte?«
»Nein, Kapitän. Aber auch ich suche nach finsteren
Elementen. Nach solchen, die oft nicht aus Fleisch und Blut
sind.«
»Sie glauben – an Gespenster?«
»Wenn Sie es so nennen wollen, dann muß ich mit einem
klaren ’Ja’ darauf antworten. Was auf der ’Aloha’
geschieht, ist nicht Menschenwerk! Ich kriege das dumpfe Gefühl
nicht los, dass wir Dinge zu hören und zu sehen, bekommen, die
in Wirklichkeit gar nicht existieren.«
Huarto klappten die Kiefer herab.
Björn fuhr fort: »Das hört sich für einen
Außenstehenden, der sachlich und nüchtern die Dinge zu
sehen glaubt, merkwürdig an.
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