Macabros 030: Tempel der Versteinerten
ganz wie
es Vonx, der Krieger, möchte! Na, ist das ein Lied?«
Der Sänger mit dem primitiven Instrument, das aus dem
ausgehöhlten Stamm eines kleinen Baumes und einer Tiersehne
gefertigt war, strahlte über das ganze Gesicht. Er ließ
sich ständig neue Worte einfallen, die sonderbar klangen und
keinen Sinn ergaben.
»Verdammt noch mal!« brüllte Pepe da. »Was
soll der Quatsch! Warum läßt du mich nicht in
Frieden?«
Er hüpfte mit beiden Beinen gleichzeitig hoch, und man sah
ihm an, wie wütend er war.
Der Verrückte gab einen zufriedenen Grunzlaut von sich, als
er Pepes temperamentvollen Ausbruch registrierte.
»Wunderbar! Wunderbar!« rief der Irre, klemmte die
Peitsche unter den Arm, nahm schnell die primitive Laute zur Hand,
zupfte daran und klopfte dann mit der anderen Hand gegen das
Instrument, daß dumpfe Begleittöne wie aus einer Trommel
hervorkamen.
Der Irre war entzückt. »Wie du die Beinchen wirfst…
das macht Spaß… ja, tanz mir, und ich sing dir ein Lied
dazu…«
Pepe verstand das alles nicht. Die Sprache war ihm fremd. Um so
besser verstand Björn.
Er stand stocksteif, als sein Gegenüber die Peitsche
wegnahm.
»Ooh!« brüllte der andere da. »Was fällt
dir ein, dich so zu benehmen? Bürschchen – du sollst dich
schämen!«
Er riß die Peitsche wieder unter dem Arm vor, und Pepe
ahnte, was kam. Da riß ihm der Geduldsfaden.
Noch ehe Björn Hellmark auf der Szene erschien, entwickelten
sich die Dinge nach einer anderen Gesetzmäßigkeit, die
Björn nicht mehr bremsen konnte.
Der Vierzehnjährige befand sich in einer solchen Erregung,
daß er sich gar nicht mehr besonders auf den dicken Ast,
konzentrieren mußte, der von einem Baum herrührte, unter
dem der Verrückte mit Peitsche und Laute umhersprang.
Pepes parapsychische Fähigkeiten entluden sich mit einer
Heftigkeit sondergleichen. Der armdicke Ast barst, als ob eine
unsichtbare Hand mit einer Riesenaxt zu einem Streich ausgeholt
habe.
Der Ast brach ab wie vom Blitz getroffen und knallte dem tanzenden
Sänger auf den Hinterkopf.
Der gab einen gurgelnden Laut von sich. Seine Augen blickten
erstaunt, dann fiel er in die Knie.
»Du gehst nicht sonderlich freundlich mit den Leuten um,
Pepe«, bemerkte Hellmark da, Astwerk beiseite drückend, um
die Lichtung zu erreichen. Mit dem Schwert hieb er Pepes Leine durch.
Der Junge schüttelte die Pflanzenfasern zu Boden.
»Er war auch nicht freundlich zu mir. Dauernd hat er mit der
Peitsche nach mir geschlagen. Ich weiß überhaupt nicht,
was er von mir wollte.«
Er war noch immer so wütend und nach der Entführung so
aufgeregt, daß er seine Unruhe nicht dämpfen konnte und
damit auch die Kräfte nicht unter Kontrolle brachte, die er
abstrahlte.
In solchen Momenten platzten dann meist Glühbirnen, verbogen
sich Messer und Gabeln, versagten Zündkerzen ihren Dienst und
gaben Motoren ihren Geist auf.
Aber Pepes parapsychische Kräfte waren nicht nur auf
elektrische und mechanische Geräte und Instrumente
beschränkt. Genausogut konnte er mit geistiger Kraft Türen
öffnen, Fenster zerspringen und Mauern einstürzen lassen
und auch Äste und Zweige zum Brechen bringen, ohne Hand
anzulegen.
In dem Geäst splitterte es bedrohlich, und Hellmark sprang
geistesgegenwärtig zur Seite, um nicht wie der verrückte
Lautenspieler und Sänger das Opfer eines durch die Luft
wirbelnden verirrten Astes zu werden.
Kleinholz regnete es vom Himmel herab und verteilte sich fein
säuberlich um den auf dem Boden Liegenden. Ein großes
Blatt segelte noch herab und legte sich mitten auf sein Gesicht.
»Was er von dir wollte?« wiederholte Hellmark die
letzten Worte des Vierzehnjährigen, ging neben dem
Bewußtlösen in die Hocke und nahm das Blatt von seinem
Gesicht. Auf dem Hinterkopf des Verrückten bildete sich eine
ansehnliche Beule. »Er machte Musik, und du solltest dazu
tanzen.«
»Tanzen? Ich sollte tanzen? O weia!« Pepe kratzte sich
im Nacken. »Ich bin doch kein Tanzbär und kein
Go-Go-Girl!«
»Nein, weder dem einen noch dem anderen ähnelst du, und
ich bin überzeugt davon, daß er ein Go-Go-Girl vorgezogen
hätte, wäre ihm eins über den Weg gelaufen. Wir
müssen froh sein, daß es so glimpflich abging«,
fügte Björn abschließend hinzu.
»Froh sein?«
Er nickte. »Das Ganze hätte schlimmer werden
können, wärst du einem anderen in die Hände gefallen.
Bei ihm war es noch nicht so schlimm. Er war trotz allem noch
freundlich. Was aber wäre passiert, wenn dir einer
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